Shannara IV
Bettkante, er konnte durch seine Tränen hindurch sehen, wie die Kerzen flackerten.
Das Mädchen hatte ihn gerettet. Sie überhörte seine Schreie und hielt ihn fest an sich gepreßt, als wäre er in Gefahr, vollständig abzutreiben, und als weigerte sie sich, ihn gehen zu lassen. Als seine Schreie endlich ein Ende nahmen, stellte er fest, daß auch er sie festhielt.
Dann fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf, in dem er Ruhe fand. Als er erwachte, war der Wahnsinn zu Ende und der Halbschlaf hinweggespült. Er wußte wieder, wer er war; er erkannte seine Umgebung und die Gesichter Damson Rhees und des Maulwurfs. Sie badeten ihn und gaben ihm saubere Kleider, fütterten ihn und betteten ihn erneut zur Ruhe. Sie sprachen nicht mit ihm. Vielleicht begriffen sie, daß er noch nicht antworten konnte.
Als er wieder erwachte, drängten sich die Erinnerungen, vor denen er sich versteckt hatte, in seine Gedanken. Sie waren nicht mehr so abscheulich, obwohl sie ihn traurig machten. Er stellte sich einer nach der anderen und gestattete ihnen zu sprechen.
Das Schwert von Shannara lag auf dem Bett neben ihm. Er war sich nicht sicher, ob es von Anfang an dort gelegen oder ob Damson Rhee es dorthin gelegt hatte, nachdem er wieder zu Sinnen gekommen war. Alles, was er wußte, war, daß es wertlos war. Es hatte gegen Felsen-Dall vollkommen versagt. Er hatte alles aufs Spiel gesetzt, um das Schwert in seinen Besitz zu bringen, und es schien, als sei alles sinnlos gewesen. Er besaß den Talisman, der ihm versprochen worden war, immer noch nicht.
Lügen und Wahrheit gab es mehr als genug, und das eine ließ sich nur schwer vom anderen trennen. Felsen-Dall log ganz sicher; aber er hatte auch die Wahrheit gesprochen. Allanon hatte die Wahrheit gesprochen, aber er hatte ebenfalls gelogen. Keiner von beiden war ganz das, was er zu sein vorgab. Nichts war in jeder Hinsicht so, wie es der eine oder der andere dargestellt hatte. Möglicherweise war selbst er etwas anderes als das, wofür er sich hielt, und seine Magie das zweischneidige Schwert, vor dem ihn sein Onkel Walker Boh immer gewarnt hatte.
Aber die schlimmste und bitterste Erinnerung, mit der er fertig werden mußte, war die an den armen Coll. Sein Bruder war in ein Schattenwesen verwandelt worden, während er versucht hatte, ihn zu beschützen, war zu einer Kreatur der Schlucht gemacht worden, und Par hatte ihn deshalb getötet. Er hatte es nicht gewollt, aber die Magie war ungebeten aus ihm herausgebrochen und hatte Coll getötet. Dessen Tod war seine Schuld. Sein Bruder hatte die Reise seinetwegen mitgemacht. Er war seinetwegen in die Schlucht hinabgestiegen. Alles, was er getan hatte, hatte er für ihn getan.
Er dachte plötzlich an ihr Zusammentreffen mit dem Geist Allanons, wo jeder Ohmsford mit einer großen Aufgabe betraut worden war, außer Coll. Hatte Allanon gewußt, daß Coll sterben würde? Hatte Coll aus diesem Grund keine Aufgabe erhalten?
Par konnte Colls Stimme hören, den rauhen Tonfall, die ihr eigene Klangfarbe. Im Geist durchlebte er noch einmal die Abenteuer, die sie gemeinsam erlebt hatten, als sie Kinder waren, die Tage, an denen sie ohne die Erlaubnis ihrer Eltern fortgegangen waren, die Orte, die sie aufgesucht hatten, die Menschen, denen sie begegnet waren und mit denen sie gesprochen hatten. Er ging die Ereignisse der vergangenen Wochen seit ihrer Flucht aus Varfleet noch einmal durch. Er wollte sich daran erinnern, wie sein Bruder in dieser Zeit gewesen war.
Coll, der jetzt tot war.
So lag er stundenlang da und hing seinen Gedanken nach; er versuchte die Tatsachen zu begreifen und anzunehmen. Ein Teil seines Selbsts weigerte sich zuzugeben, daß Coll nicht mehr lebte, obwohl er wußte, daß er tot war.
Nur selten sprach er mit Damson Rhee. Er lag in der unterirdischen Behausung des Maulwurfs inmitten der Stofftiere, die über ihn wachten.
Gleichwohl arbeitete sein Geist fieberhaft. Irgendwann würde er wieder zu Kräften kommen, das nahm er sich vor. Und dann würde ihm irgend jemand Rede und Antwort stehen müssen über das, was Coll angetan worden war.
Kapitel 34
Der Gefangene erwachte langsam aus seinem von Drogen erzwungenen Schlaf, der ihn seit seiner Gefangennahme gelähmt hatte. Er lag auf einer Schlafmatte in einem verdunkelten Raum. Die Stricke, mit denen er an Händen und Füßen gefesselt gewesen war, waren abgenommen worden, und die Tücher, mit denen man ihn geknebelt und ihm die Augen verbunden hatte, waren verschwunden. Er
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