Shannara IV
zurückkehren. Eigentlich konnten sie so gut wie nirgendwo hingehen, wo man sie hätte vermuten können, denn da die Föderation so viel Zeit und Mühe aufgewandt hatte, sie so weit zu verfolgen, würde sie jetzt von ihrer Suche kaum ablassen. Felsen-Dall war als hartnäckiger Sucher bekannt. Er hatte ihre Verfolgung persönlich übernommen, und er würde so leicht nicht aufgeben. Die Sucher würden überall dort, wo die Föderation herrschte, nach ihnen suchen - und ihr Herrschaftsgebiet war riesengroß. Par und Coll konnten sich praktisch als Geächtete betrachten.
Wie sollten sie sich also verhalten? Da sie nirgendwohin gehen konnten, wo man sie vermutet hätte, mußten sie dorthin gehen, wo man sie nicht vermutete. Natürlich war der Trick dabei, nicht einfach irgendwohin zu gehen, sondern dorthin, wo sie gleichzeitig etwas erreichen konnten.
»Ihr könntet natürlich hier bleiben, wenn ihr wolltet, und würdet wer weiß wie lange nicht entdeckt werden, weil die Föderation niemals auf die Idee käme, hier im Hochland nach euch zu suchen.« Morgan zuckte die Schultern. »Es könnte sogar ganz lustig werden. Aber was würdet ihr damit erreichen? Zwei Monate, vier Monate, wie lang auch immer - ihr wärt immer noch Geächtete, könntet immer noch nicht nach Hause gehen, und nichts hätte sich geändert. Das können wir also streichen, oder? Ich schlage vor, daß ihr selbst aktiv werdet. Es wäre sinnlos, einfach nur dazusitzen und darauf zu warten, daß sich die Dinge ändern; ihr müßt selbst etwas tun.«
Was er damit sagen wollte, war, daß sie versuchen sollten, das Rätsel der Träume zu lösen. An der Tatsache, daß sie von der Föderation verfolgt wurden, daß die Soldaten Shady Vale besetzt hielten und daß sie jetzt Geächtete waren, konnten sie nichts ändern. Eines Tages würde sich all das vielleicht ändern, aber ganz sicher nicht in der nahen Zukunft. Die Träume waren dagegen eine Sache, mit der sie sich aktiv auseinandersetzen konnten. Falls sie sie wirklich für wichtig hielten, mußten sie ihnen nachgehen. Der alte Mann hatte ihnen mitgeteilt, daß sie in der ersten Nacht des neuen Mondes am Hadeshorn erwartet würden. Sie hatten sich bisher aus zwei guten Gründen dagegen gesträubt. Erstens wußten sie nicht genügend über die Träume, um zu wissen, ob sie wahr waren oder nicht, und zweitens waren sie nur zu zweit und würden sich damit möglicherweise in große Gefahr begeben.
»Warum also nicht etwas tun, das diese Ungewißheit lindert?« endete Morgan. »Warum nicht nach Osten gehen und Walker Boh suchen? Der alte Mann hat doch behauptet, daß Walker Boh die Träume ebenfalls geschickt wurden. Wäre es nicht vernünftig, ihn zu fragen, was er von den Träumen hält? Der alte Mann wollte auch mit ihm reden. Und selbst wenn er das nicht getan hat, wäre es interessant, die Meinung Walker Bohs zu hören. Ich muß zugeben, ich habe euren Onkel immer für einen komischen Kauz gehalten, aber dumm ist er ganz bestimmt nicht. Und die Geschichten über ihn kennen wir alle. Sollte er tatsächlich immer noch einen Teil der Shannara-Magie besitzen, hätten wir jetzt die Möglichkeit, es herauszufinden.« Er nahm einen großen Schluck, lehnte sich vor und deutete mit dem Finger auf sie. »Falls Walker Boh an die Träume glaubt und sich entschließt, das Hadeshorn aufzusuchen, dann bekämt ihr vielleicht ebenfalls Lust hinzugehen. Dann wären wir schon zu viert. Wer uns dann etwas anhaben wollte, müßte es sich zweimal überlegen.« Er hob die Schultern. »Selbst wenn ihr euch entschließen solltet, nicht zu gehen, hättet ihr wenigstens eure Neugier befriedigt, anstatt hier oder anderswo einfach nur herumzusitzen. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn die Föderation euch im Anar suchen würde! Das ist der letzte Ort, an dem sie euch vermuten werden.« Er nahm noch einen Schluck sowie ein Stück frisches Brot und blickte sie an. Sie bemerkten wieder den Ausdruck in seinen Augen, der verriet, daß er etwas wußte, das sie nicht wußten, und er schien sich köstlich darüber zu amüsieren. »Nun?« sagte er schließlich.
Die Brüder schwiegen. Par dachte an seinen Onkel und erinnerte sich an die Geschichten über Walker Boh, die man sich hinter vorgehaltener Hand erzählte. Er war ein selbsternannter Gelehrter des Lebens, der behauptete, Visionen zu haben; er blieb dabei, daß er Dinge sehen und spüren konnte, die andere nicht sehen und spüren konnten. Es gab Gerüchte, die besagten, daß er
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