Shannara IV
geschaffen?« fragte Coll, dessen Gesicht wie versteinert war.
Der alte Mann schüttelte sein strähniges Haupt. »Allanon weiß es nicht. Niemand kann es mit Sicherheit sagen. Es könnte sich jederzeit im Leben Shea Ohmsfords und seiner Nachfahren ereignet haben. In jenen Zeiten gab es allerlei Magie, und nicht selten handelte es sich um schwarze Magie. Die Schattenwesen konnten aus allen möglichen Quellen hervorgehen.« Er hielt inne. »Am Anfang waren die Schattenwesen gar nichts. Sie waren der Abfall der angewandten Magie. Irgendwie haben sie unbemerkt überleben können. Erst als Allanon und Paranor verschwunden waren, sind sie in die Vier Länder eingedrungen und wurden allmählich mächtiger. Inzwischen herrschte, was die höhere Ordnung der Dinge anbetraf, eine Lücke, die auf jeden Fall gefüllt werden mußte, und die Schattenwesen haben nicht gezögert, sie zu füllen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Par eilig. »Was für eine Lücke meinst du?«
»Und warum hat Allanon sie nicht vorausgesehen?« fügte Wren hinzu.
Der alte Mann hob eine Hand in die Höhe und bog ihre Finger, während er sprach, einen nach dem anderen nach unten. »Das Leben war schon immer ein Kreislauf. Macht kommt und geht; sie nimmt verschiedene Formen an. Irgendwann war es die Wissenschaft, die der Menschheit ihre Macht verlieh. Seit einiger Zeit ist es die Magie. Allanon sah die Rückkehr der Wissenschaft als ein Mittel zum Fortschritt voraus, im besonderen im Zusammenhang mit dem Niedergang der Druiden und Paranors. Das war das Zeitalter, das kommen sollte. Aber die Entwicklung der Wissenschaft ging zu langsam vonstatten, als daß sie die Lücke hätte füllen können. Zum Teil ist dies auf die Föderation zurückzuführen. Die Föderation hat dafür gesorgt, daß das Alte intakt blieb; sie verbot die Ausübung jeder Art von Macht mit Ausnahme ihrer eigenen, und ihre eigene war primitiv und kriegerisch. Sie dehnte ihren Einflußbereich auf alle Vier Länder aus, bis alle Lebewesen ihrem Gesetz unterworfen waren. Aber auch die Elfen besaßen Macht und Einfluß; aus Gründen, die wir noch nicht kennen, sind sie verschwunden. Sie waren die ausgleichende Kraft, das letzte Volk der Zauberwelt der alten Zeit. Ihre Gegenwart war unbedingt erforderlich, sollte der Übergang von der Magie zur Wissenschaft reibungslos erfolgen.« Er schüttelte den Kopf. »Doch selbst wenn die Elfen in der Welt der Sterblichen geblieben und die Föderation weniger mächtig gewesen wäre, gäbe es möglicherweise heute Schattenwesen. Die Lücke entstand, als die Druiden verschwanden. Nichts hätte daran etwas ändern können.« Er seufzte. »Allanon hat nicht alles vorausgesehen, was er hätte voraussehen sollen. Er hat nicht mit den Schattenwesen gerechnet. Während er am Leben war, tat er, was er konnte, um die Vier Länder zu beschützen - und er blieb am Leben, solange er dies vermochte.«
»Scheinbar war das nicht genug«, sagte Walker Boh spitz.
Cogline sah ihn an, und der Zorn in seiner Stimme war offensichtlich. »Nun, Walker Boh, vielleicht hast du eines Tages Gelegenheit zu zeigen, daß du es besser kannst.«
Einen Augenblick herrschte bedrückendes Schweigen. Dann wandte Cogline seinen Blick ab. »Ihr müßt verstehen, was die Schattenwesen sind. Die Schattenwesen sind Parasiten. Sie leben auf Kosten der sterblichen Lebewesen. Sie sind eine Magie, die sich von lebendigen Dingen ernährt. Sie dringen in sie ein, saugen sie aus und nehmen ihre Gestalt an. Par, denk an die Waldfrau, auf die du und Coll gestoßen seid, als wir uns zum erstenmal getroffen haben. Sie war ein Schattenwesen, ein vergiftetes, ehemals sterbliches Wesen, ein zerstörtes Wesen, das sich ebenso wenig in der Gewalt hatte wie ein wildes Tier. Und erinnerst du dich an das kleine Mädchen am Tofferkamm?«
In Par stieg die Erinnerung an das Monster, dem ihn die Spinnengnome ausgeliefert hatten, auf. Er spürte wieder, wie sie sich an ihn heranschlich und ihn bat: »Drück mich, drück mich«, spürte, wie verzweifelt sie seine Umarmung wünschte. Die Erinnerung ließ ihn zusammenzucken.
Coglines Hand legte sich fest auf seinen Arm. »Auch das war ein Schattenwesen, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht als solches zu erkennen war. Sie treten zuweilen auf wie wir, verbergen sich hinter einer menschlichen Maske. Manche nehmen in Gestalt und Verhalten groteske Formen an; diese sind leicht zu erkennen. Andere dagegen sind nicht so leicht zu erkennen.«
»Aber warum gibt
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