Shannara V
sie sanft und gab ihr den Becher. Ellenroh trank ihn langsam leer. Immer wieder hielt sie inne, um Atem zu holen. In ihrer Brust rasselte es, und ihr Gesicht war vom Fieber gerötet.
»Wren«, sagte sie sanft, »du hast die Elfensteine benutzt.«
Wren kniete sich verwundert neben sie, und auch die anderen kamen näher. »Wie kannst du das wissen?«
Ellenroh Elessedil lächelte. »Es ist in deinen Augen. Die Magie hinterläßt immer ihre Spuren. Ich sollte es wissen.«
»Ich hätte sie besser schon etwas früher benutzt, Großmutter, aber ich hatte vergessen, was sie bewirken können. Es tut mir leid.«
»Kind, du mußt dich nicht entschuldigen.« Die blauen Augen waren freundlich und warm. »Ich habe dich so sehr geliebt, Wren - sogar bevor du zu mir gekommen bist, die ganze Zeit, seit ich von Eowen wußte, daß du geboren worden warst.«
»Du mußt schlafen, Ellenroh«, flüsterte die Seherin.
Die Königin schloß einen Moment ihre Augen und schüttelte dann den Kopf. »Nein, Eowen. Ich muß mit dir sprechen. Mit euch allen.«
Ihre Augen öffneten sich. Sie sah erschöpft aus und schien weit entfernt. »Ich werde sterben«, flüsterte sie. »Nein, sagt nichts. Hört mich zu Ende an.« Sie sah sie fest an. »Es tut mir leid, Wren, daß ich nicht länger bei dir sein kann. Ich wünschte, ich könnte es. Unsere gemeinsame Zeit war zu kurz. Eowen, für dich ist es am härtesten. Du bist mein ganzes Leben lang meine Freundin gewesen, und wenn ich es könnte, würde ich bleiben, damit es dir gutgeht. Ich weiß, was mein Tod bedeutet. Gavilan, Triss, Dal - ihr habt für mich getan, was ihr konntet. Aber meine Zeit ist gekommen. Das Fieber ist stärker als ich, und als ich versucht habe, mich davon zu befreien, stellte ich fest, daß ich es nicht konnte. Aurin Striate wartet auf mich, und ich werde zu ihm gehen.«
Wren schüttelte bedächtig und ärgerlich den Kopf. »Nein, Großmutter, sag das nicht, nicht so!«
Die sanfte Hand ergriff die ihre. »Wir können uns nicht vor der Wahrheit verstecken, Wren. Du solltest das von allen hier am besten wissen. Ich bin bis auf die Knochen geschwächt. Das Fieber hat mich innerlich zerrissen, und es ist fast nichts übriggeblieben, was mich zusammenhält. Selbst die Magie könnte mich jetzt nicht retten, fürchte ich - und niemand von uns besitzt eine Magie, die überhaupt helfen könnte. Sei stark, Wren. Erinnere dich an unsere gemeinsame Herkunft. Erinnere dich, wie ähnlich wir uns sind - verbunden durch Alleyne.«
»Großmutter!« rief Wren.
»Einen Zaubertrank«, flüsterte Gavilan drängend. »Es muß eine Medizin geben, die wir dir geben können. Sag es uns!«
»Nichts.« Die Augen der Königin wanderten von Gesicht zu Gesicht und wandten sich dann auf der Suche nach etwas, das nicht da war, wieder ab. Sie hustete und versteifte sich einen Moment. »Bin ich noch immer eure Königin?« fragte sie.
Sie murmelten bestätigend, sie alle, und ihre Stimmen schwankten dabei. »Dann erteile ich euch einen letzten Befehl. Wenn ihr mich liebt und wenn ihr euch um die Zukunft des Elfenvolkes sorgt, werdet ihr ihn nicht in Frage stellen. Sagt, daß ihr gehorchen werdet.«
Das taten sie, aber gleichzeitig tauschten sie verstohlene Blicke aus und fragten sich, was sie wohl noch hören würden.
»Wren.« Ellenroh wartete, bis sich ihre Enkelin zu ihr begeben hatte, so daß sie sie deutlich sehen konnte. »Dies gehört jetzt dir. Nimm ihn.«
Sie hielt den Ruhkstab mit dem Loden vor sich. Wren sah sie ungläubig an. Sie war unfähig, sich zu bewegen. »Nimm ihn!« sagte die Königin, und dieses Mal tat Wren, wie ihr geheißen. »Nun hör mir zu. Ich vertraue die Magie deiner Obhut an, Kind. Bring den Stab mit seinem Stein von Morrowindl fort und trage ihn zurück ins Westland. Hole die Elfen und ihre Stadt wieder zurück. Gib unserem Volk sein Leben wieder. Tu, was du tun mußt, um dein Versprechen dem Schatten des Druiden gegenüber zu halten, aber erinnere dich auch an das Versprechen, das du mir gegeben hast. Sorge dafür, daß die Elfen wieder zu sich finden. Gib ihnen eine Chance, neu zu beginnen.«
Wren konnte nichts sagen. Sie war wie betäubt von dem, was vor sich ging. Sie kämpfte darum, das anzunehmen, was sie hörte. Sie spürte, wie das Gewicht des Ruhkstabes sich in ihren Händen einrichtete, sie spürte die Glätte seines Griffs, kühl und glatt. Nein, dachte sie. Nein, ich will das nicht!
»Gavilan. Triss. Dal.« Die Königin flüsterte ihre Namen, denn ihre
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