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Shannara VI

Titel: Shannara VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Reach ziehen. In weiteren zwei Tagen, so versprach sie, würden sie dann die Geächteten erreicht haben.
    Aber sie schliefen länger, als sie geplant hatten, eingelullt von der Kühle und dem tröstenden Klang des Windes in den Bäumen, und es war schon fast Sonnenuntergang, als sie wieder erwachten. Sie erhoben sich und brachen sofort auf, da sie so viel Zeit gewinnen wollten wie möglich. Wenn der Mond hervorkam, würden sie den Paß bei Nacht überqueren können. Sonst würden sie bis zum Morgen warten müssen. Auf jeden Fall wollten sie den Kennon bei Einbruch der Nacht erreicht haben.
    Also reisten sie eilig weiter, ohne durch dichte Gruppen von Gestrüpp oder Gräsern in Wäldern behindert zu werden. Nach ihrem Schlaf fühlten sie sich ausgeruht und tatkräftig. Die Sonne zog gen Westen und versank in den Bäumen, bis sie durch den Schirm der Blätter und Zweige als helles Flackern von Gold und Karmesinrot erschien. Der Mond erschien am Himmel, der noch klar und blau war, und die Tagesvögel begannen vor der herannahenden Nacht still zu werden. Par fühlte sich das erste Mal seit Tagen wohl. Er war in Frieden mit sich selbst, erleichtert, aus Tyrsis herausgelangt zu sein, heraus aus ihren Abwasserkanälen und Kellern, frei von den Beschränkungen ihrer Mauern, sicher vor den Wesen, die ihn dort gejagt hatten. Er schaute oft zu Damson hinüber und lächelte dabei. Er dachte an Padishar und versuchte, nicht traurig zu sein. Seine Gedanken wanderten durch die Bäume und über den Teppich des Erdbodens hinweg wie kleine, spielende Tiere. Er ließ sie frei wandern und war zufrieden, sie ziehen lassen zu können.
    Nicht ein einziges Mal kam es ihm in den Sinn, daß es klug sein könnte, ihre Spuren zu verwischen.
     
    Der Sonnenuntergang brannte wie Feuer über den Ebenen unterhalb von Tyrsis, als der Tag der Nacht zustrebte und die Hitze sich aufzulösen begann. Die Schatten verlängerten sich und wuchsen, nahmen seltsame und bedeutungsvolle Formen an und wurden mit der Dunkelheit lebendig. Sie erhoben sich aus den Rinnen und Senken, aus Wäldern und vereinzelten Hainen, erstreckten sich hierhin und dorthin, als wollten sie ihre Beine ausstrecken, nachdem sie aus dem Schlaf erwacht waren, der sie bis zum Aufbruch zur Jagd umfangen gehalten hatte.
    Einer dieser Schatten bewegte sich verräterisch bewußt an den leeren Flächen entlang, die sich nördlich zum Mermidon erstreckten, eine schwach sichtbare Dunkelheit, verborgen in den langen Gräsern, durch die sie hindurchstrich. Als das Licht verschwand, wurde der Schatten kühner, richtete sich hin und wieder auf, um die Luft zu erschnuppern, bevor er sich wieder auf die Erde niederließ, um den Geruch nicht zu verlieren, dem er folgte. Er aß beim Weitergehen, ernährte sich von dem, was auch immer er fand, Wurzeln und Beeren, Insekten und kleine Tiere, alles, was ihm begegnete und nicht entkommen konnte. Vor allem aber war seine Aufmerksamkeit auf den Pfad gerichtet, dem er folgte, auf den Geruch desjenigen, den er so emsig jagte, desjenigen, der die Quelle seines Zorns war.
    Am Mermidon erhob er sich auf die Hinterfüße, eine gebeugte, gekrümmte Gestalt, die in einen schimmernden, schwarzen Umhang gekleidet war, der dem Staub und Schmutz, der seinen Träger bedeckte, widerstand. Seine Hände waren so schlimm enthäutet und zerkratzt, daß sie bluteten, und waren in den Umhang verkrampft, damit er nicht ausgewaschen werden würde, wenn er diesen Fluß an einer seichten Stelle durchwatete. Den Umhang legte er nicht einen Moment lang ab, denn der Umhang stärkte ihn irgendwie, das wußte er. Der Umhang war es, der ihn beschützte.
    Und dennoch schien er auch eine Quelle des Wahnsinns zu sein. Ein Teil seines Geistes flüsterte dem Wesen zu, daß dies so sei. Er flüsterte es dem Wesen als Warnung zu. Wieder und wieder.
    Aber das meiste, was in den Gedanken des Wesens arbeitete, versicherte ihm, daß der Umhang gut und zum Überleben notwendig sei, und daß der Wahnsinn statt dessen von demjenigen bewirkt werde, den es verfolgte. Von ihm. War es sein Bruder? Der Name wollte nicht erscheinen. Nur das Gesicht. Der Wahnsinn summte in seinem Kopf, durch seine Ohren und aus seinem Mund heraus wie ein Schwärm Mücken, stach und biß und vereinnahmte seinen Verstand, bis es an nichts anderes mehr denken konnte.
    Früher an diesem Tag, in den Schatten des späten Nachmittags, draußen in dem verhaßten Licht, in den der Wahnsinn es mit zunehmender Häufigkeit aus seiner

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