Shannara VII
Mindestens ein dutzendmal brach der Fluß aus seinem Bett aus und bildete neue Schleifen und Moraste, so daß sie sich nicht länger auf ihn als Wegweiser verlassen konnten. Kinson führte sie deshalb tiefer in die Wälder und durch ein Gebiet, wo die Schatten des alten Baumbestands die Büsche und Gräser hinderten, zu dicht zu wachsen und die Reisenden dadurch die Abhänge und Spalten besser überwinden konnten. Das Wetter blieb gut, und so kamen sie angemessen voran, selbst bei dem schwierigen Gelände.
Bremen ging neben Mareth und sprach mit ihr über ihre Magie; er versuchte, ihr Ratschläge zu geben, wie sie damit umgehen sollte.
»Es gibt Möglichkeiten, wie du sie kontrollieren kannst«, bot er an. »Die Schwierigkeit liegt darin, die Wege zu erkennen. Angeborene Magie ist komplizierter als erlernte Magie. Den Umgang mit erlernter Magie kann man durch Versuche erweitern und so das Wissen immer weiter ausbauen, Man lernt, was funktioniert und was nicht; es ist vorhersagbar, und gewöhnlich versteht man irgendwann auch, warum die Dinge so und so sind. Aber bei angeborener Magie ist das nicht immer möglich. Angeborene Magie ist einfach da, von Anfang an, ein Teil von deinem Fleisch und Blut. Sie tut, was sie will, wann sie will, und oftmals auch, wie sie will, und man kann eigentlich nur versuchen, das Warum der Dinge soweit wie möglich zu verstehen.
Das Problem bei der Kontrolle von angeborener Magie vergrößert sich durch andere Faktoren, die die Wirkungsweise der Magie beeinflussen. Dein Charakter kann auf die Ergebnisse einwirken, ebenso deine Gefühle, deine Stimmung. Auch dein Körper - so hat man eingebaute Abwehrmechanismen gegenüber allem, was die Gesundheit bedroht, und diese beeinflussen ebenfalls die Wirkung der Magie. Selbst deine Sicht der Welt, Mareth, deine innere Haltung, Überzeugungen, deine Vernunft - sie alle können das Ergebnis mitbestimmen. Die Magie ist ein Chamäleon. Manchmal gibt sie einfach auf und verschwindet, ohne zu versuchen, die Schutzmechanismen und Hindernisse zu durchbrechen, die du ihr in den Weg legst. Manchmal aber wächst sie zu einem Sturm an und überwindet alles, was du tust, um sie aufzuhalten.«
»Was ist es, das mich so beeinflußt?« fragte sie ihn.
»Genau das müssen wir herausfinden«, antwortete er.
Am sechsten Tag ihrer Reise erreichten sie den Kamin. Es war kurz nach Mittag, und sie waren aus einer Reihe steiler Hügel und felsiger Täler herausgetreten, die von der Nähe des Rabenhorngebirges kündeten. Sie schwitzten, und ihre Füße schmerzten, und da sie den Rabb und seine Nebenflüsse schon lange verlassen hatten, hatten sie sich seit zwei Tagen nicht waschen können. Niemand hatte an diesem Tag viel gesprochen; sie konzentrierten all ihre Energie darauf, ihr Ziel noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen, wie Kinson es vorausgesagt hatte. Trotz des schrecklichen Rufs, der den Dunkelstreif umgab, waren sie auf der Reise niemals bedroht worden - wenn ihnen überhaupt etwas zugesetzt hatte, dann war es die Langeweile, die im Laufe der Zeit immer drückender geworden war. So war es eine Erleichterung, als sie eine einzelne, schornsteinähnliche Turmspitze in den Himmel emporragen sahen, angestrahlt vom hellen Schein des Sonnenlichts, das bis zum Ende des vor ihnen liegenden Tales reichte. Sie traten unter den Fichten heraus, wo die Schatten so dicht waren, daß sie sich den Weg beinahe hatten ertasten müssen, und dann lag der Kamin plötzlich vor ihnen. Kinson zeigte mit dem Finger darauf, aber Bremen und Mareth nickten bereits erkennend und lächelten.
Sie schritten über kleine Wiesen mit Wildblumen den Hügel hinunter und wieder in den kühlen Schatten des Waldes, der das Tal bedeckte. Es war still, als sie unter die hohen Laubbäume traten - rote Ulmen, weiße und schwarze Eichen, Hickorynußbäume und Birken. Auch Nadelhölzer wuchsen hier, uralt und zottig, aber die Laubbäume überwogen deutlich. Bald waren sie wieder eingeschlossen von einem Dach von Ästen und einer Wand von Zweigen und verloren den Kamin wieder aus dem Blick. Kinson führte sie, er suchte immer noch nach Spuren und fand nach wie vor keine, aber jetzt wunderte er sich darüber. Wenn Cogline in diesem Tal wohnte, streifte er dann niemals darin umher? Es gab keinerlei Anzeichen, daß diese Gegend bewohnt war. Hinweise auf Vögel und kleine Bodentiere waren zu sehen, aber nicht auf einen Menschen.
Sie überquerten einen Fluß, und kühle Gischt spritzte ihnen von den
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