Shannara VII
zugestoßen ist.«
Der Flugreiter schwieg und grübelte. »Würdest du ihn noch eine Weile hier behalten, ihn pflegen und auf ihn aufpassen? Ich möchte mir die Sache ein wenig genauer anschauen.«
Der Heiler nickte. »Wo willst du anfangen?«
»Vielleicht in Arborlon.«
Das leise Scharren eines Schuhs erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Helfer erschien mit heißem Tee und einer Mahlzeit für den Heiler. Er nickte ihnen wortlos zu und verschwand wieder. Hunter Predd erhob sich, ging zur Tür, vergewisserte sich, dass sie allein waren, und setzte sich wieder neben den Heiler.
»Pass gut auf diesen geschundenen Mann auf, Dorne. Keine Besucher. Nicht, bis du von mir gehört hast.«
Der Heiler nippte an seinem Tee. »Hältst du etwas vor mir verborgen?«
»Ich habe da so einen Verdacht. Aber ich brauche Zeit, um ihn zu überprüfen. Kannst du mir die geben?«
Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. »Ich kann es versuchen. Der Mann dort drinnen hat dabei auch ein Wörtchen mitzureden, ob er bei deiner Rückkehr noch hier sein wird. Er ist sehr schwach. Du solltest dich beeilen.«
Hunter Predd nickte. »Ich bin so schnell mich Obsidians Flügel tragen wieder hier«, antwortete er leise.
Hinter ihm in der Dunkelheit, nahe der offenen Tür, löste sich ein Schatten von der Wand und schlich lautlos davon.
Der Helfer, der dem Flugreiter und dem Heiler das Essen serviert hatte, wartete bis nach Mitternacht, als die Menschen von Bracken Clell selig schliefen, ehe er aus seinem Zimmer schlüpfte, durch das Dorf eilte und im Wald verschwand. Er bewegte sich rasch und ohne die Hilfe eines Lichts, denn er kannte seinen Weg gut, da er ihn bereits oft gegangen war. Er war ein kleiner, runzliger Mann, der sein ganzes Leben in dieser Ortschaft verbracht hatte und dem man selten einen zweiten Blick widmete. Er wohnte allein und hatte nur wenige Freunde. Im Haus des Heilers diente er seit mehr als dreizehn Jahren. Er war ruhig, klagte nie, und obwohl es ihm an Fantasie mangelte, konnte man sich immerhin auf ihn verlassen. Seine Qualitäten konnte er in der Arbeit beim Heiler gut gebrauchen, besser hingegen noch als Spion.
Er erreichte die Käfige, die er in dem abgedunkelten Pferch hinter der alten Hütte verborgen hielt, in der er geboren war. Nach dem Tod seines Vaters und seiner Mutter war der Besitz an den ältesten Sohn übergegangen. Es war ein armseliges Erbe, und er hatte sich nie damit abgefunden, dass das alles sein sollte. Dann hatte sich ihm eine Gelegenheit geboten, die er sofort ergriffen hatte. Ein paar Wörter, hier und da belauscht, ein Gesicht oder ein Name aus den Geschichten, die in Tavernen und Bierschenken kursierten, Stückchen und Fetzen von Wissen über jene, die aus dem Meer gerettet und in das Haus des Heilers gebracht wurden - den richtigen Leuten war das etwas wert.
Und vor allem einer Person.
Der Helfer wusste, was von ihm erwartet wurde. Das hatte sie ihm von Anfang an eingeschärft. Sie war die Gebieterin, vor der er sich verantworten musste, wenn er den Pfad des Gehorsams verließ, den sie ihm gewiesen hatte. Wer auch immer das Haus des Heilers betrat, was auch immer gesprochen wurde und ob es wichtig war oder nicht, sie sollte es erfahren. Sie erklärte ihm, die Entscheidung, sie zu rufen, liege bei ihm. Aber es sei besser, voreilig zu handeln als verspätet. Eine verpasste Gelegenheit war für sie schlechter zu ertragen als ein wenig verschwendete Zeit.
Zunächst hatte er die Lage einige Male falsch eingeschätzt, aber sie war nicht böse auf ihn gewesen. Ein paar Fehler waren zu erwarten. Meistens erkannte er, welche Nachricht etwas wert war und welche nicht. Vor allem kam es auf Geduld und Ausdauer an.
Beide Eigenschaften hatte er entwickelt, und sie gereichten ihm zum Vorteil. Diesmal, das wusste er, hatte er eine wirklich wichtige Sache entdeckt.
Er öffnete die Tür des Käfigs und nahm einen der seltsamen Vögel heraus, die sie ihm gegeben hatte. Sie sahen bösartig aus mit ihren scharfen Augen und Schnäbeln, ihren Pfeilflügeln und schmalen Körpern. Stets beobachteten sie ihn, wann immer er hereinkam, sie aus den Käfigen holte oder eine Nachricht an ihren Beinen befestigte, wie er es jetzt gerade tat. Er mochte es nicht, wie sie ihn anstarrten, und deshalb erwiderte er ihren Blick nur selten.
Nachdem er die Botschaft befestigt hatte, warf er den Vogel in die Luft, und der stieg in die Dunkelheit auf und verschwand. Manchmal kehrten sie mit Nachrichten von ihr zurück.
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