Shannara VII
ausgehen, denn das Armband war echt. Die Karte dagegen beunruhigte ihn. Was sollte er damit anfangen? Ihren Wert vermochte er nur zu schätzen, doch lesen konnte er sie nicht vollständig. Wenn er eine neue Expedition zusammenstellen sollte, was er bereits ernsthaft in Erwägung zog, musste er jede mögliche Anstrengung unternehmen, um herauszufinden, mit was er zu rechnen hatte.
Er brauchte demnach jemanden, der ihm die Anmerkungen auf der Karte übersetzte. Jemanden, der ihm sagen konnte, was sie bedeuteten.
Es gab nur einen einzigen Menschen, der dazu in der Lage war, vermutete er. Jedenfalls nur einen, den er kannte.
Draußen war es inzwischen dunkel, und die Nacht senkte sich über den Westlandwald, die Mauern und Dächer der Stadt verschwanden und wurden von den Lichtern ersetzt, die bewiesen, dass sie noch immer existierten. Im Heim der Elessedils war es still. Seine Frau beschäftigte sich mit ihren Töchtern und arbeitete an einer Steppdecke für seinen Geburtstag, über die er eigentlich gar nicht Bescheid wissen sollte. Sein ältester Sohn Kylen befehligte ein Regiment im Krieg gegen die Föderation. Sein Jüngster, Ahren, jagte in den nördlichen Wäldern mit Ard Patrinell, einem Hauptmann der Leibgarde. Trotz der Größe seiner Familie und seiner Stellung als König fühlte er sich überraschend allein und hilflos angesichts dessen, was er tun musste.
Aber wie? Wie würde er zustande bringen, was notwendigerweise zu tun war?
Die Stunde des Abendessens war gekommen und gegangen, und er blieb, wo er war, und grübelte weiter. Es war schwierig, auch nur darüber nachzudenken, was er eigentlich tun müsste, denn der Mann war ihm in vielerlei Hinsicht ein Gräuel. Trotzdem musste er sich mit ihm einlassen, seine Vorbehalte beiseite schieben und ihre gegenseitige Feindseligkeit ignorieren. Er konnte das, weil es dazu gehörte, ein König zu sein, und er hatte schon ähnliche Zugeständnisse in anderen Situationen gemacht. Nur einen Weg zu finden, den anderen zu überzeugen, war schwierig. Dazu musste er sich etwas ausdenken, was nicht auf sofortige Ablehnung stieß, und das war nicht ganz einfach.
Am Ende fand er das Gesuchte direkt vor seiner Nase. Er würde Hunter Predd, den Flugreiter, als Gesandten schicken. Der Flugreiter würde helfen, weil er die Wichtigkeit seiner Entdeckung erkannt hatte und weil Allardon dem Wing Hove Zugeständnisse machen würde, die sie schon lange begehrten. Der Mann, dessen Dienste er wollte, würde wohlwollend antworten, da er keinen Streit mit den Flugreitern hatte, sondern mit den Landelfen, und da Hunter Predds direkte Sprache ihm zusagen würde.
Natürlich gab es keine Garantien. Sein Plan mochte fehlschlagen, und er wäre vielleicht gezwungen, es erneut zu versuchen - vielleicht sogar selbst nach Bracken Clell zu reisen. Ja, das würde er, wenn alles andere misslang. Dennoch zählte er auf die Neugier seines Widersachers, um ihn zu gewinnen; dem Rätsel der Karte würde er nicht widerstehen können. Über die Verlockungen ihrer Geheimnisse würde er nicht hinwegsehen können. Sein Leben erlaubte das nicht. Denn was immer er sonst noch war, und er war vielerlei, in erster Linie war er ein Gelehrter.
Der Elfenkönig holte die Karte hervor und legte sie auf seinen Schreibtisch. Er hätte sie eigentlich gern kopieren lassen, um für den Fall eines Verlustes vorzusorgen. Aber eine Kopie erhöhte die Gefahr eines Verrats, der das ganze Unternehmen innerhalb einer Sekunde scheitern lassen konnte. Ein Schreiber konnte vieles erschließen, ohne die Herkunft der Karte oder ihren Wert zu kennen. Eine Indiskretion war durchaus möglich.
Nichtsdestotrotz, er würde bei dem Schreiber bleiben, bis der seine Arbeit beendet hatte. Nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte, schickte er einen Diener los, um denjenigen zu rufen, der gebraucht wurde. Das Abendessen würde noch eine Weile warten müssen.
Kapitel 36
In der gleichen Nacht, in der Allardon Elessedil auf seinen Schreiber wartete, der eine Kopie der von Hunter Predd überbrachten Karte anfertigen sollte, erhielt der Spion im Hause des Heilers von Bracken Clell eine Reaktion auf die Nachricht, die er seiner Gebieterin vor zwei Tagen geschickt hatte. Allerdings hatte er mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet.
Sie erwartete ihn, als er bei Einbruch der Nacht in seine Wohnung kam, das Tagwerk hinter sich hatte und mit den Gedanken bei anderen Dingen war. Vielleicht dachte er daran, später hinaus zu den Käfigen zu
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