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Shannara VII

Titel: Shannara VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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schleichen und zu schauen, ob einer der geflügelten Kuriere eine Antwort gebracht hatte. Möglicherweise freute er sich auch nur auf eine warme Mahlzeit und ein kühles Bett. Wie auch immer, sie vorzufinden, damit hatte er nicht gerechnet. Ihre Anwesenheit überraschte und verängstigte ihn gleichzeitig, und so zuckte er zusammen, als sie sich aus den Schatten löste. Sie beruhigte ihn mit einem sanften Wort und wartete geduldig ab, bis er sich genügend erholt hatte, um sie angemessen zu begrüßen.
    »Gebieterin«, flüsterte er, beugte das Knie und verneigte sich tief. Es gefiel ihr, dass er seine guten Manieren nicht vergessen hatte. Obwohl sie seit vielen Jahren nicht hier gewesen war, erinnerte sie sich an seine Wohnung.
    Sie ließ ihn ein wenig gebückt stehen, stellte sich vor ihn, und ihr beruhigendes, sanftes Flüstern hing leise und leicht in der Luft. Die graue Robe verhüllte sie von Kopf bis Fuß, die Kapuze verbarg ihr Gesicht. Ihr Spion hatte sie niemals im Licht gesehen oder auch nur den kleinsten Blick auf ihre Züge erhascht. Sie war ein Rätsel für ihn, eine schattenhafte Präsenz. Sie verschmolz mit der Dunkelheit, war ein Wesen, das man eher fühlte denn sah und das selbst dann noch Wache hielt, wenn es unsichtbar war.
    »Gebieterin, ich habe Euch eine wichtige Sache zu berichten«, murmelte der Spion und blickte nicht auf, sondern wartete, bis man ihm erlaubte, sich aufzurichten.
    Die Ilse-Hexe beließ ihn in seiner Haltung und dachte nach. Sie wusste mehr, als er sich vorstellen konnte, mehr, als er ahnen konnte, denn sie besaß Kräfte, die über sein Verständnis weit hinausgingen. Aus der Nachricht, die er ihr gesandt hatte - aus den Worten, der Handschrift, dem Geruch auf dem Papier -, hatte sie die Dringlichkeit erschlossen, die er verspürte. Aus der Art, wie er sich jetzt präsentierte - seinem Benehmen, seinem Tonfall, seiner Haltung -, entzifferte sie seine Nöte. Das war ihre Gabe: stets mehr zu wissen als diejenigen, mit denen sie in Berührung kam, sie zu wissen lassen wünschten.
    Jetzt streckte die Ilse-Hexe den Arm aus. »Erhebe dich«, befahl sie.
    Der Spion gehorchte, hielt den Kopf und den Blick jedoch weiter gesenkt. »Ich hatte nicht erwartet, dass Ihr kommt…«
    »Bei einer Angelegenheit von solcher Wichtigkeit konnte ich nicht anders reagieren.« Sie beugte sich leicht vor. »Erzähle mir jetzt, was du weißt.«
    Der Spion zitterte vor Aufregung und wollte nur allzu bereitwillig zu Diensten sein. Im Schatten der Kapuze lächelte sie.
    »Ein Flugreiter hat einen Mann aus dem Meer gerettet und ihn zu dem Heiler gebracht, der in diesem Ort dient«, berichtete der Spion, der es nun wagte, den Blick bis zum Saum ihrer Robe zu heben. »Die Augen und die Zunge wurden dem Mann genommen, und der Heiler meint, er sei halb wahnsinnig. Das bezweifle ich nicht, so wie er aussieht. Der Heiler kann die Identität des Mannes nicht feststellen, und auch der Flugreiter nicht, allerdings vermutet er etwas. Er hat dem Mann etwas abgenommen, ehe er ihn hierher gebracht hat. Ich habe es kurz betrachten können - ein Armband mit dem Wappen der Elessedils.«
    Der Spion hob nun den Blick und suchte den ihren. »Der Flugreiter verließ Arborlon vor zwei Tagen. Ich belauschte, wie er dem Heiler sagte, wohin er aufbricht. Das Armband hat er mitgenommen.«
    Sie starrte ihn schweigend einen Moment lang an, und ihre verhüllte Gestalt verharrte still wie die Schatten. Ein Armband mit dem Wappen der Elessedils, dachte sie. Der Flugreiter würde es vermutlich zu Allardon Elessedil bringen. Wessen Armband war das? Was bedeutete es, dass es bei diesem blinden und stummen und für verrückt gehaltenen Elfen gefunden worden war?
    Die Antworten verbargen sich im Kopf des Schiffbrüchigen. Sie musste ihn daher zwingen, sie preiszugeben.
    »Wo ist der Mann jetzt?«, erkundigte sie sich. Der Spion richtete sich eifrig auf; die Hände hatte er wie zum Gebet unter dem Kinn gefaltet. »Er liegt im Krankenzimmer des Heilers, wo er bis zur Rückkehr des Flugreiters gepflegt, aber auch isoliert wird. Niemandem ist es erlaubt, ihn zu besuchen oder mit ihm zu sprechen.« Er schnaubte leise. »Als könnte das überhaupt jemand. Schließlich hat er keine Zunge, um zu antworten, nicht wahr?«
    Sie scheuchte ihn zur Seite, und er bewegte sich wie eine Marionette. »Warte hier auf mich«, verlangte sie. »Ich werde zurückkehren.«
    Durch die Tür betrat sie die Nacht, huschte als geisterhafter Schemen lautlos und ohne

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