Shannara VII
bis zum Tal von Rhenn. Die Tage waren heiter, sonnig und angenehm, die Nächte kühl und ruhig.
Von Truls Rohk hörten und sahen sie nichts. Panax meinte, das würde auch so bleiben, und damit sollte er Recht behalten.
Ihre Begegnung mit dem schattenhaften, gewaltigen Truls hatte Bek und Quentin gleichermaßen erschüttert, und erst am nächsten Tag, nachdem sie Depo Bent und den Wolfsktaag weit hinter sich gelassen hatten, wagten sie es, sich über ihn zu unterhalten. Inzwischen war Panax auch bereit, ihnen den Rest von dem zu erzählen, was er wusste.
»Natürlich ist er ein Mensch, so wie ihr und ich«, erwiderte er auf Beks unausweichliche Frage danach, welche Art von Geschöpf Truls Rohk wirklich sei. »Nun, vielleicht nicht genau wie ihr und ich, schätze ich. Aber er ist ein Mensch, kein Tier und kein Geist. Bevor er in die Berge ging, um dort zu leben, war er ein Südländer. Er stammt aus dem Grenzland unterhalb von Varfleet, irgendwo aus dem Runnegebirge: Sein Volk bestand aus Fallenstellern, armen Einwanderern, die oft von der Hand in den Mund lebten. Vor langer Zeit hat er es mir einmal erzählt. Er hat allerdings nie wieder darüber gesprochen. Erst recht nicht über den Teil mit dem Feuer.«
Sie befanden sich mittlerweile auf der Rabbebene und folgten der Sonne nach Westen, während das Tageslicht zu schwinden begann. Keiner der Cousins sagte ein Wort, als der Zwerg innehielt und seine Gedanken sammelte.
»Als er ungefähr zwölf war, gab es ein Feuer. Der Junge schlief bei den Männern in einem Zelt aus Häuten, und das begann zu brennen. Alle anderen schafften es nach draußen, doch der Junge lief in die falsche Richtung, verhedderte sich in den Leinen und konnte sich nicht befreien. Das Feuer verbrannte ihn so fürchterlich, dass man ihn hinterher kaum mehr erkennen konnte. Man glaubte, er würde sterben; ich nehme an, die Männer hielten das sogar für das Beste. Aber trotzdem taten sie für ihn, was sie konnten, und das reichte gerade. Er sagte, ein großer Junge sei er sowieso gewesen, damals schon sehr kräftig, und er habe gegen den Schmerz und das Leiden angekämpft und so sein Leben gerettet.
Also überlebte er zwar, war aber so entstellt, dass sogar seine Familie ihn nicht mehr ertragen konnte. Ich vermag mir nicht vorzustellen, wie er ausgesehen hat. Er sagte, er konnte sich selbst nicht im Spiegel anschauen. Deshalb hat er sich versteckt, in den Wäldern gejagt und ist anderen Menschen aus dem Weg gegangen. Als er alt genug war, ist er fortgezogen, weil er von aller Welt getrennt leben wollte. Er war verbittert und schämte sich, und am liebsten wäre er gestorben. So wanderte er nach Osten in den Wolfsktaag, denn er hatte Geschichten über dessen Bewohner gehört und glaubte, kein anderer Mann würde versuchen, an diesem Ort zu leben, und daher könnte er seine restliche Zeit wenigstens allein verbringen.
Aber in den Bergen ist irgendetwas mit ihm passiert - was, darüber spricht er nicht. Es hat sein ganzes Denken verändert. Er entschied sich, dass er weiterleben und geheilt werden wollte. Deshalb ging er zu den Stors, um Medizin und Salben von ihnen zu bekommen, und anschließend vollführte er ein Selbstheilungsritual. Darüber spricht er ebenfalls nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es geholfen hat oder nicht. Er behauptet es zwar, aber trotzdem versteckt er sich noch immer unter diesem Mantel und dieser Kapuze. Deutlich gesehen habe ich ihn noch nie. Weder sein Gesicht noch irgendeinen Teil seines Körpers. Das hat vermutlich noch niemand.«
»Da ist aber noch etwas an ihm«, unterbrach ihn Bek rasch. »Du behauptest, er sei ein Mensch, dass in ihm ein Mann wie du und ich steckt, doch mir erscheint das nicht so. Jedenfalls bin ich einem solchen Mann noch niemals begegnet.«
»Ja«, stimmte Panax zu, »ich auch nicht. Aber ich habe aus gutem Grund gesagt, dass er ein Mensch wie ihr und ich ist, damit ihr nicht denkt, er wäre als ein anderes Wesen geboren worden. Doch ist mehr aus ihm geworden, nur fällt es mir schwer zu beschreiben, woraus dieses ›Mehr‹ besteht. Ein wenig davon kenne und begreife ich. Er hat einen Weg gefunden, wie er sich an die Wesen anpassen kann, die im Wolfsktaag leben. Zum Beispiel ist er in der Lage, die Gestalt zu verändern; das weiß ich sicher. Er vermag das Aussehen von Tieren und Geisterkreaturen anzunehmen; er kann wie sie werden - oder, wenn er will, wie die Wesen, die sie fürchten. Das hat er gemacht, als er diese Ur’wölfe vertrieb.
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