Shannara VII
Wenn er erst einmal tot war, was sicher geschehen würde, konnten die Trolle ohnehin mit den Storen machen, was sie wollten. Er konnte sie weglocken. Aber er konnte nicht garantieren, daß er alle Trolle aus dem Dorf locken würde und daß sie nicht später wiederkehren würden.
Plötzlich fiel ihm Mareth ein. Sie hatte die Kraft, diese Leute zu retten. Ihre Magie war so mächtig, daß sie die gesamte Gruppe der Trolle in Brand setzen konnte, bevor diese auch nur zu blinzeln vermochten. Aber Mareth durfte ihre Magie nicht benutzen, und ohne ihre Magie war sie so verwundbar wie alle anderen.
Auf der anderen Seite des Weges hatte einer der Trolle damit begonnen, die Treppe zur Vorhalle hinaufzusteigen. Die Storen standen ihm im Weg wie unschuldige Schafe einem Wolf. Kinson packte sein Schwert fester und ging zur Vordertür, die er vorsichtig öffnete. Was immer er auch tun würde, er würde es schnell tun müssen.
Er wollte gerade aus dem Schatten der Tür heraustreten, als ein Schrei erscholl. Jemand drängte sich aus dem Gebäude und zwischen den Storen hindurch, eine torkelnde, halbbekleidete Gestalt, die wankte und mit den Armen herumfuchtelte, als wäre sie vom Wahnsinn befallen. Fetzen wirbelten um die Figur herum, Verbände von Wunden, die jetzt offenlagen und näßten. Das Gesicht der Kreatur war schwer gezeichnet von wunden Stellen und Verletzungen, der Körper war zerbrechlich geworden von der Auszehrung, die die Knochen gegen die fleckige und ausgedörrte Haut drückte.
Die Gestalt stolperte aus der Mitte der Storen zum Rand der Vorhalle und jammerte verzweifelt. Die Trolle hoben argwöhnisch ihre Waffen, jene in der ersten Reihe wichen vor Schreck einen Schritt zurück.
»Die Pest!« heulte die zerschundene Kreatur. Das Wort durchschnitt die Stille, hart und unbarmherzig. Ein Schwarm Insekten löste sich vom Rücken des Kranken und schwirrte summend umher. »Die Pest! Die Pest ist überall! Flieht! Flieht!«
Der Kranke schwankte etwas und fiel dann auf die Knie. Fleischfetzen lösten sich von ihm, und Blut tropfte aus den offenen Wunden auf die Holztreppe, verdampfte in der kühlen Nachtluft. Kinson zuckte entsetzt zurück. Diese Krankheit ließ das Wesen buchstäblich zerfallen!
Es war zuviel für die Trolle. Sie waren Soldaten bis auf den Grund ihres Herzens und mutig gegenüber jedem Feind, den sie sehen konnten. Vor dem Unsichtbaren allerdings erschreckten sie sich ebenso wie die harmloseste Krämerseele. Bemüht, keine Angst zu zeigen, waren sie dennoch entschlossen, keinen Augenblick länger in der Nähe dieses Schreckensbildes zu bleiben, das vor ihnen auf den Stufen zusammengebrochen war. Ihr Anführer bedachte die Storen und ihr Dorf mit einer Geste voll ängstlichem Trotz, und die gesamte Patrouille eilte den Weg in Richtung Rabb zurück und verschwand zwischen den Bäumen.
Kinson trat ins Licht hinaus. Nachdem sich sein Pulsschlag wieder beruhigt hatte, ließ er sein Schwert sinken. Er blickte zu den Storen, die sich auf der anderen Seite des Weges zusammendrängten, um über die seltsame Erscheinung zu beratschlagen. Sie schienen die Krankheit nicht zu fürchten. Auch Kinson zwang sich, seine Angst niederzuringen, und überquerte die Straße, um zu sehen, ob er helfen könne.
Als er die Gruppe erreichte, sah er Mareth in ihrer Mitte stehen.
»Ich habe mein Versprechen gebrochen«, sagte sie. In ihren großen, dunklen Augen stand ein ängstlicher Blick, sie wirkte besorgt. »Es tut mir leid, aber ich konnte nicht zusehen, wie ihnen Schaden zugefügt wurde.«
»Du hast deine Magie benutzt«, erriet er verwundert.
»Nur ein bißchen. Nur den Teil, der zur Heilung benutzt wird, den Teil, den ich als Empathin benutze. Ich kann ihn umkehren, damit das, was gesund ist, krank aussieht.«
»Aussieht?«
»Nun ja, irgendwie jedenfalls.« Sie zögerte. Er konnte jetzt sehen, wie müde sie war, die dunklen Ringe unter ihren Augen, die Linien des nachlassenden Schmerzes in ihren Mundwinkeln. Schweiß lag auf der Stirn. Ihre Hände waren verkrampft. »Ihr versteht das, Kinson, ja? Es war notwendig.«
»Und gefährlich«, fügte er hinzu.
Ihre Lider flatterten. Sie stand kurz vor einem Zusammenbruch.
»Es geht mir jetzt gut. Ich brauche nur ein wenig Schlaf. Würdet Ihr mich stützen?«
Er schüttelte ungläubig den Kopf, dann hob er sie ohne ein Wort auf und trug sie zurück in ihr Zimmer.
Am folgenden Tag brach die Nordlandarmee ihr Lager ab und marschierte weiter nach Süden. Einen Tag
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