Shannara VIII
nicht.«
»Sollen wir zurückgehen und nach ihnen suchen?«
Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen voller Angst an.
Natürlich konnten sie nicht sicher sein. Es handelte sich nur um eine Vision, und Visionen führten oft in die Irre oder zu Fehleinschätzungen. Sie enthüllten die Wahrheit, allerdings meist nicht in der Weise, wie man es erwartete. Das war die Natur von Prophezeiungen. Ryer Ord Star konnte besser als die meisten in die Zukunft schauen. Trotzdem durfte auch sie nur einen kleinen Blick erhaschen, und ein kleiner Blick mochte alles und nichts bedeuten.
Plötzlich erschien es Ahren vollkommen undenkbar umzukehren, und er ließ die Idee fallen. Stattdessen standen sie rasch auf und gingen weiter. Niedergeschlagen und nach den Worten der Seherin besorgt, hoffte Ahren, sie würde eine zweite Vision haben, mit der man etwas anfangen konnte. Zum Beispiel eine, die ihnen den Weg aus ihrem gegenwärtigen Dilemma finden half. Visionen über andere an anderen Orten waren ihnen im Augenblick nicht besonders von Nutzen. Das klang ziemlich selbstsüchtig, und sofort schämte er sich deswegen. Dennoch konnte er sich dieses Gedankens nicht erwehren.
Bald würde der Morgen grauen. Wenn sie bis dahin nicht den Schutz der Bäume erreicht hätten, würden sie Schwierigkeiten bekommen. Zwar konnten sie sich in den Ruinen der Gebäude verstecken, sollten sie jedoch entdeckt werden, so saßen sie praktisch in der Falle. Wenn sie weitergingen, nachdem es hell geworden war, setzten sie sich auf den Straßen der Gefahr aus, entdeckt zu werden. Ahren wusste nicht, ob es zu diesem Zeitpunkt einen Unterschied machte, wie er sich entschied, denn eigentlich hatten sie weder ein Ziel noch einen Plan. Er wollte lediglich eines: der Ilse-Hexe oder den Mwellrets nicht in die Hände fallen. Oder auch nur den Letzteren, falls Ryers Vision sich als richtig erwies. Konnte es sein, dass Bek einen Weg gefunden hatte, die Hexe zu überwinden und gefangen zu nehmen? War er überhaupt in der Lage, die Hexe zu besiegen?
Ahren hätte sich gewünscht, mehr über die Ereignisse um ihn herum zu wissen. Das hatte er sich schließlich schon von Anfang an gewünscht.
Sie waren schon recht nah an den Waldrand gelangt, da hörten sie vor sich Geräusche. Es klang, als bewege sich jemand leise und verstohlen, um nicht bemerkt zu werden. Ahren ging in die Hocke und zog Ryer mit sich herunter. Sie kauerten im tiefen Schatten einer Mauer und würden nicht leicht gesehen werden. Allerdings wurde es immer heller, und lange konnten sie hier nicht mehr bleiben.
Er gab ihr ein Zeichen, zu schweigen und ihm zu folgen. Dann erhob er sich und ging weiter, langsamer jedoch. Augenblicke später hörten sie wieder die Geräusche, ein Scharren von Stiefeln, sehr nahe nun, und erneut drückte er sich in den Schatten.
Fast im gleichen Moment erschien vor ihnen ein Mwellret aus der Dunkelheit und überquerte den offenen Bereich. Über seine Absichten gab es keine Zweifel. Er trug eine Streitaxt in der Hand und ein Kurzschwert um die Hüfte gegürtet. Offensichtlich suchte er jemanden. Vielleicht ja nicht sie, hoffte Ahren, was ihnen trotzdem nichts nützen würde, wenn sie hier entdeckt würden.
Sie warteten, bis der Ret außer Sicht war, dann setzten sie ihren Weg erneut fort. Möglicherweise konnten sie den Ret umgehen. Vielleicht war er ja allein unterwegs.
Doch als sie nach links liefen, von dem ersten fort, bemerkten sie einen zweiten, der geradewegs auf sie zukam. Ahren drückte sich sofort hinter die Mauern einer Ruine ohne Dach, dann führte er Ryer zu einem anderen Ausgang. Vorsichtig schlichen sie über einen Schutthaufen, doch verursachte er dabei mit seinen Stiefeln ein leises Scharren, das er einfach nicht vermeiden konnte. Draußen huschte er geduckt auf das nächste Gebäude zu, Ryer war dicht hinter ihm, und dieses Haus durchquerten sie erneut. Mit ein paar Umwegen, so hoffte er, würden sie ihre Verfolger abschütteln.
Wieder draußen angelangt, blieb er stehen und schaute sich um. Die Umgebung war ihm vollkommen unbekannt. Zwar sah er die Baumwipfellinie in einiger Entfernung, er hatte jedoch keine Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte oder wo sich die Mwellrets befanden. Also lauschte er und hörte nichts.
»Hinter uns ist jemand, glaube ich«, flüsterte ihm Ryer ins Ohr.
Er zerrte sie weiter auf den Schutz der Bäume zu und hoffte nur, sie würden dort rechtzeitig ankommen. Es wurde heller und heller, die
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