Shannara VIII
hier raus. Geht dorthin, wo ich euch sage. Und haltet nicht an, bis ihr dort angekommen seid.«
»Aber du bist verletzt -«
»Ich bin zu schwer verletzt.« Plötzlich wurde die Stimme des Druiden hart und entschlossen. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit, Gestaltwandler. Jedenfalls mir nicht. Tu, was ich sage. Antrax ist zerstört. Castledown ist tot. Der Schatz, dessentwegen wir hergekommen sind, ist verloren.« Er sah Bek an. »Bek, nimm deine Schwester mit. Führe sie an der Hand. Sie wird dir folgen.«
Bek sah erst Grianne an, dann wieder Walker. »Wenn wir dich bewegen…«
»Druide, es wird dich umbringen, wenn wir dich bewegen!«, fauchte Truls Rohk wütend. »Ich bin nicht von so weit hergekommen, nur um dich hier zu begraben!«
Der Druide richtete den Blick auf ihn. »Die Wahl, ob Leben oder Tod, können wir nicht immer selbst treffen, Truls. Tu, was ich sage.«
Truls Rohk nahm den Druiden langsam und vorsichtig auf die Arme und bemühte sich, die Verwundungen nicht noch zu verschlimmern. Walker gab keinen Laut von sich, als er hochgehoben wurde, sein dunkler Kopf sank auf die Brust, den guten Arm legte er über den Bauch. Bek hängte sich das Schwert von Shannara über den Rücken, dann fasste er Griannes Hand und zog sie auf die Füße. Bereitwillig kam sie mit und zeigte ansonsten keinerlei Reaktion darauf, dass man sie fortführte.
Sie verließen den zerstörten Raum und folgten dem Gang, durch den sie hereingekommen waren. An der ersten Kreuzung wies Walker sie an, in eine andere Richtung abzubiegen. Bek beobachtete, wie sich der dunkle Kopf leicht bewegte, und hörte die geflüsterten Anweisungen der erschöpften Stimme. Die Säume der zerrissenen Robe des Druiden hingen von der schlaffen Gestalt bis zum Boden und hinterließen dort blutige Spuren.
Während sie in den Katakomben unterwegs waren, schaute Bek Grianne von Zeit zu Zeit an, doch sie erwiderte nie seinen Blick. Stattdessen starrte sie vor sich hin und bewegte sich wie eine Schlafwandlerin. Den Jungen erschreckte das mehr als die Grianne, die ihn zuvor gejagt hatte. Sie wirkte wie eine wesenlose, leere Hülle.
Steinhaufen und verbogenes Metall versperrten ihnen mehrfach den Weg und hielten sie auf. Einmal musste Truls Rohk den Druiden sogar ablegen, um eine Metallplatte zu beseitigen, die quer im Gang lag. Bek beobachtete den Druiden, der vor Schmerz und Erschöpfung die Augen geschlossen hatte, zusammenzuckte, während er wieder aufgehoben wurde, und mit der Hand den Bauch umklammerte, als würde er ihn auf diese Weise zusammendrücken. Wie Walker es schaffte, nach diesem Blutverlust noch am Leben zu bleiben, war Bek ein Rätsel. Er hatte schon früher tödlich Verwundete gesehen, aber nie einen, der nach solchen Verletzungen so lange durchhielt.
Truls Rohk war außer sich. »Druide, das ist sinnlos!«, fauchte er einmal und blieb niedergeschlagen und zornig stehen. »Lass mich wenigstens einen Versuch unternehmen, dir zu helfen!«
»Du hilfst mir am besten, wenn du weitergehst, Truls«, antwortete der Druide darauf schwach. »Los, weiter. Immer weiter.«
Lange waren sie so unterwegs, ehe sie endlich eine riesige unterirdische Höhle erreichten, die dem Äußeren nach kein Teil mehr von Castledown war. Und tatsächlich war diese Höhle natürlichen Ursprungs, die Felswände waren von Metall und Maschinen unberührt, an der Decke hingen Stalaktiten, von denen in stetem Rhythmus Wasser und Mineralien heruntertropften. Das Licht der flammenlosen Lampen am Höhleneingang und ein sanfter phosphoreszierender Schein erhellten die Dunkelheit. Die andere Seite konnte man jedoch nicht sehen, offensichtlich lag sie sehr weit entfernt.
In der Mitte befand sich ein riesiges Wasserreservoir, schwarz wie Tinte und glatt wie Glas.
»Bring mich an den Rand«, befahl Walker.
Sie gingen über den unebenen Boden, der mit herabgefallenen Felsbrocken übersät und von der Feuchtigkeit glitschig war. Moos bildete dunkle Flecken, und winzige Farne drängten sich durch Risse im Stein. Dass hier unten in der Abwesenheit von Sonnenlicht überhaupt etwas wachsen konnte, erstaunte Bek.
Am Wasserrand blieben sie stehen. Auf Walkers Anweisung hin kniete Truls Rohk und legte den Druiden ab, hielt jedoch weiterhin Kopf und Schultern im Arm. Bek erwischte sich bei dem Gedanken, wie eigentümlich es doch sei, dass ein Wesen, das selbst nicht ganz, sondern aus Stücken und Teilen zusammengesetzt war, die von einem rauchigen Nebel
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