Shannara VIII
Irrtum. Das Leben gestattet so etwas nicht, auch nicht einem Druiden. Wir erhalten kleine Ausblicke auf unsere Möglichkeiten, mehr nicht. Die Zukunft ist eine Karte, die in den Sand gezeichnet ist, und jeden Augenblick kann sie von einer Welle ausgelöscht werden. So ist es in diesem Fall geschehen. Unsere ganzen Bemühungen, dieses Land zu erreichen, Truls, unsere ganzen Opfer, dienten einem Zweck, an den wir niemals gedacht haben.«
Er hielt inne, atmete äußerst schwach und nur unter Mühen, und die Anstrengung des Sprechens überforderte seine Kräfte.
»Weswegen sind wir dann hier?«, fragte Truls Rohk ungeduldig und wütend angesichts dessen, was er hörte. »Weswegen, Druide?«
»Ihretwegen«, flüsterte Walker und zeigte auf Grianne.
Im ersten Moment war der Gestaltwandler so verblüfft, dass ihm keine Erwiderung einfiel. Es war, als wäre das Feuer in ihm vollständig erloschen.
»Wir sind wegen Grianne hier?«, fragte Bek überrascht und nicht sicher, ob er richtig gehört hatte.
»Es wird auch bald für euch offensichtlich werden, wenn ihr erst wieder zu Hause seid«, flüsterte Walker kaum vernehmbar, selbst in der tiefen Stille der Höhle nicht. »Sie steht von jetzt ab unter deinem Schutz, Bek. Du bist für sie verantwortlich. Wir haben sie so wiedergefunden, wie du sie dir gewünscht hast. Bring sie in die Vier Länder zurück. Gleichgültig, was du auch tun musst, bring sie nach Hause.«
»Das ergibt doch keinen Sinn!«, fauchte Truls Rohk voller Zorn. »Sie ist unsere Feindin!«
»Versprich es mir, Bek«, drängte Walker und wandte den Blick nicht von dem Jungen ab.
Bek nickte. »Versprochen.«
Walker sah ihn noch kurz an, dann galt seine Aufmerksamkeit wieder dem Gestaltwandler. »Und jetzt du, Truls. Versprich es mir.«
Einen Augenblick lang glaubte Bek, Truls Rohk würde dem Druiden dieses Versprechen verweigern. Der Gestaltwandler sagte kein Wort, starrte den Druiden nur schweigend an. Seine dunkle Gestalt strahlte Spannung aus, dennoch gab er nicht preis, was in ihm vorging.
Walker ließ den Mantel des Gestaltwandlers nicht los. »Versprich es mir«, flüsterte er. »Vertraue mir.«
Truls Rohk atmete zischend vor Abscheu aus. »Also gut. Ich verspreche es dir.«
»Sorgt für sie, wie ihr füreinander sorgen würdet«, fuhr der Druide fort und richtete den Blick erneut auf Bek. »Sie wird nicht ewig so bleiben. Eines Tages wird sie sich erholen. Aber bis dahin braucht sie deine Fürsorge. Sie braucht dich, damit du sie vor allen Gefahren beschützt.«
»Was können wir tun, um sie zu wecken?«, drängte Bek.
Der Druide holte langsam und in kurzen, abgehackten Zügen Luft. »Sie kann sich nur selbst helfen, Bek. Das Schwert von Shannara hat ihr die Wahrheit über ihr Leben enthüllt, all die Lügen, die ihr bislang eingebläut wurden, all die falschen Pfade, die sie eingeschlagen hat. Dadurch wurde sie gezwungen, sich mit dem auseinander zu setzen, zu dem sie geworden ist, und auch mit ihren Taten. Sie ist noch kaum erwachsen und hat trotzdem schon mehr Gräuel angerichtet als andere in ihrem gesamten Leben. Daher hat sie sich eine Menge zu vergeben, selbst wenn man in Betracht zieht, dass sie vom Morgawr auf solch fürchterliche Art und Weise fehlgeleitet wurde. Die Verantwortung dafür, sich zu vergeben, liegt bei ihr. Wenn sie einen Weg findet, dies zu akzeptieren, wird sie sich erholen.«
»Und wenn nicht?«, fragte Truls Rohk. »Möglicherweise, Druide, ist ihr jegliche Vergebung egal, nicht nur die von anderen, sondern auch die eigene. Sie ist ein Ungeheuer, sogar in dieser Welt.«
Bek warf dem Gestaltwandler einen wütenden Blick zu und dachte, Truls Rohk würde seine Meinung über Grianne niemals ändern - für ihn bliebe sie stets die Ilse-Hexe und eine Erzfeindin.
Der Druide bekam einen schweren Hustenanfall, beruhigte sich aber schließlich wieder. »Sie ist ein Mensch, Truls - wie du«, erwiderte er. »Dich haben manche auch als Ungeheuer bezeichnet. Damit hatten sie Unrecht. Dasselbe trifft auf sie zu. Sie kann durchaus Erlösung erlangen. Aber den Pfad dorthin muss sie allein gehen, ohne euch. Ihr beide müsst euch lediglich darum kümmern, dass sie die Chance erhält, ihn einzuschlagen.«
Abermals hustete er schwer. Sein Atem ging rasselnd, und mit jedem Zug schien es, er würde an seinem eigenen Blut ersticken. Dennoch schob er sich in eine sitzende Haltung hoch, befreite sich von Truls Rohks Armen und verscheuchte ihn
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