Shannara VIII
losgegangen war. Schließlich hatte Obsidian auch schon in größeren Gebieten weitaus schwerer zu entdeckende Dinge gefunden, wobei die Chancen wesentlich schlechter gestanden hatten. Wie immer galt: Sie mussten das Beste aus der Situation machen.
In der aufgehenden Sonne begann er, seine Kreise zu ziehen, spiralförmig, jeder ein bisschen weiter als der vorige, und suchte nach Bewegungen am Boden, nach Auffälligem, das ein wenig fehl am Platze wirkte, nach etwas, das auf die Anwesenheit von Fremdem schließen ließ. Währenddessen dachte er über seine Entscheidung nach, an dieser Reise teilzunehmen, und fragte sich, ob er lieber hätte zu Hause bleiben sollen. Nicht nur, weil die Expedition eine solche Wendung zum Schlechten genommen hatte; im Vergleich zum Aufwand hatten sie nicht besonders viel erreicht. Falls sich nun herausstellte, dass Walker tot war, hätte es ihnen überhaupt nichts eingebracht, Kael Elessedils Karte zu folgen. Schlimmer noch, manches Leben wäre umsonst geopfert worden. Die meisten Flugreiter hatten feste Prinzipien: Man lebte für sich allein und mischte sich nicht in die Angelegenheiten anderer ein. Es hatte ihn erhebliche Überwindung gekostet, sich dieser Reisegesellschaft anzuschließen, und es kostete ihn nun weitere Überwindung, die Sache durchzuhalten. Der gesunde Menschenverstand drängte ihn, einfach kehrtzumachen und nach Hause zu fliegen. Je länger er blieb, desto kleiner wurden die Chancen, hier jemals wieder wegzukommen. Gewiss hegten die Fahrenden ähnliche Gedanken. Fahrende und Flugreiter waren gar nicht so verschieden voneinander, denn sie hatten sich für das Nomadenleben und den Söldnerberuf entschieden. Ihre Loyalität und ihr Pflichtgefühl konnte man kaufen, aber ihr Verstand ließ sich dadurch nicht beeinträchtigen.
Dennoch würde er natürlich nicht einfach fortfliegen. Er würde jene am Boden nicht im Stich lassen, gleichgültig, wie schlecht die Chancen für sie standen, solange er überhaupt die Hoffnung hegen durfte, dass jemand da unten lebte. Er dachte eben nur einmal über diese Dinge nach, selbst wenn das keine Auswirkungen darauf hatte, was er als Verpflichtung seinen vermissten Kameraden gegenüber betrachtete. Was wäre wenn? Dieses Spielchen trieb man gern, wenn man ständig allein war und sich dabei Gefahren aussetzen musste. Aber es war doch nur ein Spielchen.
Die Sonne stieg über den Horizont, das Tageslicht brach über das Land herein, und die Ruinen dehnten sich unverändert still und leer unter ihm aus. Er blickte hinüber zu Rue Meridian auf der Schwarzen Moclips, dieser einsamen Gestalt in der Pilotenkanzel. Sie war entsetzlich müde, und er wusste nicht recht einzuschätzen, wie lange sie das Schiff noch allein steuern konnte. Es war eine hervorragende Idee gewesen, der Ilse-Hexe das Luftschiff zu stehlen, leicht konnte es aber auch zu einer schweren Last werden, wenn Rue nicht rasch Hilfe fand. Im Augenblick ließ sich leider überhaupt nicht erkennen, woher diese Hilfe kommen könnte. Er persönlich würde tun, was in seinen Kräften stand, aber mit Luftschiffen kannte er sich nicht aus. Bestenfalls konnte er sie von Deck retten, wenn die Dinge ganz aus dem Ruder liefen.
Am nördlichen Rand der Ruinen entdeckte er etwas Ungewöhnliches, und er schwenkte in die Richtung, um es sich genauer anzuschauen. Es handelte sich um einige Leichen, allerdings weder von seinen Gefährten von der Jerle Shannara noch von irgendwem anders, dem er je begegnet war. Diese Menschen hatten helle Haut und rote Haare und waren wie Gnome gekleidet. Ihresgleichen hatte er nie zuvor gesehen, und der Kleidung zufolge gehörten sie alle demselben Stamm von Einheimischen an, so vermutete er. Für ihn blieb es ein Geheimnis, auf welche Weise sie dieses schreckliche Ende gefunden hatten, denn es schien, sie seien von einem außergewöhnlich mächtigen Wesen regelrecht zerrissen worden. Von Kriechern vielleicht.
In der Hoffnung, Hinweise auf die Ereignisse dort unten zu finden, flog er ein wenig über den starren Körpern hin und her. Zwar dachte er auch daran, zu landen und sich nach Spuren der Vermissten von der Jerle Shannara umzuschauen, entschied sich jedoch dagegen. Er würde kaum brauchbare Informationen finden, solange er sich nicht zu Fuß auf die Suche machte, und das war zu gefährlich. Also warf er einen Blick über die Schulter zur Schwarzen Moclips, die einige hundert Meter hinter ihm im Wind trieb. Er gab Rue Meridian ein Zeichen, sie
Weitere Kostenlose Bücher