Shannara VIII
ihr zusammen und konnte das kaum mehr glauben.
»Grianne«, sagte er leise.
Er berührte sie mit der freien Hand an der Wange und strich über die glatte Haut. Sie zeigte keine Reaktion. Er wünschte, es gäbe etwas, das er für sie tun könnte, denn er konnte sich durchaus vorstellen, wie es für sie gewesen sein musste, sich der Wahrheit über sich selbst zu stellen. Die Magie des Schwertes von Shannara hatte den Schleier aus Lügen und Täuschungen zerrissen und das Licht eingelassen, das sie über so viele Jahre hinweg ausgesperrt hatte. Es war gewiss unerträglich, wenn man sich selbst plötzlich sehen musste, wie man wirklich war, nachdem man so viele Gräuel und so viele scheußliche und entsetzliche Taten begangen hatte. Kein Wunder, dass sie sich derartig weit in sich selbst zurückgezogen hatte. Doch wie konnte man ihr helfen?
Truls Rohk meinte, sie sollten ihr überhaupt nicht helfen. Der Gestaltwandler betrachtete sie keineswegs mit anderen Augen, nur weil sie jetzt hilflos war und gegenwärtig keine Gefahr für sie darstellte. Denn weiterhin sah er das Ungeheuer in ihr schlummern. Sobald sie erwachte, würde sie bestimmt einen mörderischen Zornesausbruch haben. Die Magie des Talismans würde das nicht unbedingt verhindern, weil sie nicht notwendigerweise zu Charakterveränderungen bei seiner Schwester führte. Es gab keine Garantie, dass sie nicht die Alte geblieben war. Realistisch betrachtet musste man eigentlich sogar davon ausgehen.
Bek bestritt diese Möglichkeit auch gar nicht. Auf ihrem Weg durch die unterirdischen Gänge von Castledown nach oben zu den Ruinen hatte er zu dieser Angelegenheit geschwiegen. Walker hatte ihnen Grianne anvertraut - sie sollten um jeden Preis für ihre Sicherheit sorgen und sie nach Hause bringen, sie sollten akzeptieren, dass sie auf bisher nicht ersichtliche Weise von großer Wichtigkeit für die Zukunft war. Es spielte keine Rolle, was Truls Rohk über sie dachte; es war gleichgültig, was er eigentlich glaubte. Der Druide hatte sie zu dem Versprechen gedrängt, sie zu beschützen, und der Gestaltwandler hatte es Walker gegeben. Ob er wollte oder nicht, Truls Rohk war an sein Wort gebunden.
Auf jeden Fall hielt Bek es für besser, die Angelegenheit in dieser Hinsicht auf sich beruhen zu lassen. Wenn es dem Druiden, wenn auch im Sterben, nicht gelungen war, den Gestaltwandler von Griannes Wert zu überzeugen, so würde Bek das jetzt erst recht nicht gelingen. Zumindest nicht im Augenblick. Vielleicht würde sich mit der Zeit eine Möglichkeit ergeben. Vielleicht. In der Zwischenzeit war es zunächst von größter Wichtigkeit zu überleben.
Er holte tief Luft und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die angesichts der schwindenden Aussichten, dieses Ziel zu erreichen, in ihm aufstieg. Sie hatten sich aus der einen Falle befreit und standen nun vor der nächsten. Antrax, die Kriecher und die Feuerstrahlen waren verschwunden, dafür hatten sie es nun mit feindlichen Luftschiffen und Mwellrets zu tun. Unwillkürlich kam man zu dem Schluss, dass die irgendwie mit seiner Schwester verbündet sein mussten. Es wäre ein zu großer Zufall, wenn sie aus einem anderen Anlass den weiten Weg hierher auf sich genommen hätten. Cree Bega hatte sich inzwischen den Neuankömmlingen angeschlossen und ihnen über seine, Beks, Anwesenheit berichtet. Bestimmt suchten sie nach ihm und demjenigen Unbekannten, der ihm die Flucht von der Schwarzen Moclips ermöglicht hatte. Wenn er weiterhin hier hocken blieb, würden sie ihn bald entdecken. Truls sollte sich lieber beeilen.
Als hätte der Gestaltwandler seine Gedanken gehört, tauchte er auf der anderen Seite des Wegs auf und glitt wie ein Phantom durchs Licht, schwärzer als die Schatten, aus denen er kam. Der verhüllende Mantel wallte leicht mit den Bewegungen seines Körpers, und Truls hockte sich neben den Jungen.
»Wir haben neue Schwierigkeiten«, verkündete er. »Die Luftschiffe werden vom Morgawr befehligt. Er hat Mwellrets, Caulls und Männer mitgebracht, wobei Letztere sich bewegen wie hölzerne Marionetten. Außer den Luftschiffen hier vor uns verfolgen ein Dutzend weitere die Jerle Shannara und die Schwarze Moclips.« »Die Schwarze Moclips?« Verwundert schüttelte Bek den Kopf.
»Frag mich nicht, Junge. Ich habe keine Ahnung, was an Bord des Schiffes vor sich gegangen ist, seit wir geflohen sind, aber anscheinend haben die Rets es geschafft, die Kontrolle darüber zu verlieren. Irgendjemand hat
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