Shannara VIII
Grianne an, die wach neben ihm saß, vor sich hinstarrte und keine Reaktion zeigte, als er sie ansprach. Also schaute er sich um und entdeckte nichts und niemanden, dann stand er auf, sah sich weiter um und entdeckte trotzdem nichts.
Nun ging er auf den Rand der Anhöhe zu, wo Truls lag, und blieb abrupt stehen. Ein Dutzend dunkler Gestalten versperrte ihm den Weg, große Schemen, die wie Felsen vor ihm aufragten. Während er zurückwich, traten sie von den Seiten ebenfalls bedrohlich auf ihn zu. Ihre Gesichter waren von Dunkelheit und plötzlichem Nebel verhüllt.
Bek blieb stehen. Er wusste, was für Wesen sie waren; er hatte auf sie gewartet. Nur wusste er nicht, weshalb sie so lange gewartet hatten, bis sie auftauchten.
Warum bist du zurückgekommen? Die Stimme klang dünn und hohl, fast wie ein Klagen, und Bek hörte sie von überall her, nicht nur aus einer bestimmten Richtung.
»Mein Freund ist krank.«
Dein Freund liegt im Sterben.
Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet, vor allem nicht in diesem gefühllosen Ton, bar jeglichen Interesses. Einen Augenblick lang fiel ihm keine Antwort darauf ein. Nein, sagte er zu sich selbst. Nein, das stimmt nicht. Das kann nicht sein.
»Er ist verletzt«, fuhr er laut fort. »Könnt ihr ihm helfen?«
In dem dichten Dunst verblassten die Schatten und erschienen wieder, wie Wesen, die dem Reich der Phantasie entsprungen sind. Die Gestaltwandler hatten etwas Übersinnliches an sich, etwas Jenseitiges, das sich jeder Erklärung entzog. Sie wirkten so unbeständig, dass nichts an ihnen wirklich real war. Aber Bek erinnerte sich, wie schnell sie sich in körperhafte, tödliche Wesen verwandeln konnten.
Der Caull hat ihn vergiftet. Aus Zähnen und Krallen hat er Gift abgesondert, das in den menschlichen Teil eingedrungen ist. Das Gift nimmt ihm die Kraft. Wenn seine menschliche Seite stirbt, stirbt der Gestaltwandler mit ihm.
»Gibt es kein Gegengift?«, erkundigte sich Bek, den Unglaube und Schock in den Bann geschlagen hatten. »Kennt ihr nicht eins?«
Es gibt kein Heilmittel.
Bek schaute sich verzweifelt um. »Es muss doch etwas geben, das ich tun kann«, sagte er schließlich. »Ich werde ihn nicht einfach so sterben lassen.«
Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, wusste er, dass die Gestaltwandler nur darauf gewartet hatten. Er sah, wie sie sich plötzlich bewegten, und hörte ihr aufgeregtes Wispern. In der Luft konnte er ebenfalls eine Veränderung wahrnehmen. Am liebsten hätte er sein Angebot zurückgezogen, aber er wusste nicht, wie er das hätte machen sollen.
Dir wurde gesagt, Halblinge hätten keinen Platz in dieser Welt. Du hast gesagt, du würdest einen Platz für diesen Halbling schaffen. Würdest du das wirklich tun?
Bek holte tief Luft. »Worum bittet ihr?«
Würdest du einen Platz für deinen Freund schaffen? Würdest du ihm die Chance zum Leben geben?
Die Stimme klang kalt und eindringlich, wollte keine Argumente oder Ausflüchte hören, sondern eine klare Antwort auf die Frage. Die Gestaltwandler waren wieder ruhig geworden und hatten sich wie Steine um ihn versammelt. Bek konnte das Feuer weder sehen noch spüren. Er hatte sogar die Richtung der Stelle vergessen, wo es brannte. Vollkommen in Dunkelheit gehüllt und von den Geisterwesen umgeben, konnte er von der Welt lediglich die glitzernden Sterne über sich sehen.
»Ich möchte ihn retten«, antwortete er schließlich.
Bek hörte ein beifälliges Murmeln, und erneut gab es Aufregung unter den Gestaltwandlern. Das war die Antwort, die sie sich erhofft hatten, deren Folgen er jedoch bislang nicht ahnte.
Er muss seine menschliche Haut abstreifen. Für immer muss er sie ablegen. Er muss so werden wie wir, vollkommen das eine Wesen, nichts von dem anderen darf in ihm bleiben. Wenn er das tut, kann ihm das Gift nicht schaden.
Die menschliche Haut abstreifen? Bek verstand nicht so recht, was man ihm da erzählte, aber das war gleichgültig. Er konnte das Angebot nicht abweisen, das für Truls vielleicht die Rettung bedeutete. »Was wollt ihr von mir?«, fragte er.
Gib uns die Erlaubnis, ihn zu einem von uns zu machen.
Bek schüttelte rasch den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich muss ihn fragen, ob es das ist, was er will. Ich habe nicht das Recht -«
Er kann dich nicht hören. Seine Krankheit hat ihn übermannt. Bevor er dir wieder antworten kann, wird er tot sein. Wir haben keine Zeit. Du musst an seiner Stelle
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