Shannara VIII
weiter, wohin sie gingen oder was sie taten. Dazu wäre er sowieso nicht in der Lage gewesen, denn seine Augen konnten die Dunkelheit jenseits des Feuers nicht durchdringen.
Stattdessen starrte er Grianne an und versuchte sich einzureden, sie sei alles wert gewesen, was passiert war - ihre Rettung beruhte nicht auf den vergeblichen Hoffnungen eines Druiden oder eines Bruders, sondern war notwendig, um etwas Wichtigeres und Weitreichenderes zu verwirklichen, das den Verlust seines Freundes rechtfertigte.
Nach einer Weile schlief er ein. Seine Träume waren heftig, voller Gefühle, und sie berührten sein gesamtes Leben. Quentin tauchte auf, wie er an einem Eschenbogen arbeitete. Sein rotes Haar hing fröhlich herab, sein starkes Gesicht lächelte, und er lachte laut. Coran und Liria schauten ihn an, während er schlief, und er hörte, wie sie stolz über ihn sprachen. Die Gemeinschaft der Jerle Shannara ging einer nach dem anderen an ihm vorbei, während er am Rand eines Waldes stand, und dann kam Rue Meridian zu ihm, berührte sein Gesicht mit ihren kühlen Fingern und verscheuchte so alle anderen Gedanken.
Schließlich stand Walker auf der Brustwehr einer Burg, die Bek vage bekannt vorkam, und schaute zu ihm hinab. Truls Rohk stand neben ihm und verblasste zunehmend, bis er nur mehr eine körperlose Stimme war, die ihm zuflüsterte, er solle stark sein, durchhalten und stets daran denken, wie ähnlich sie sich waren. Er unterschied sich vollkommen von dem Truls Rohk, an den Bek sich erinnerte, und nach einer Weile erkannte der junge Ohmsford, woran es lag: Truls war kein Halbling mehr, sondern ein reinrassiger Gestaltwandler. Er war eins mit seiner neuen Familie, mit seiner Gemeinschaft, mit der Welt, die ihm eine zweite Chance geschenkt hatte. So erweckte er den Eindruck, er sei mit sich im Reinen und habe einen inneren Frieden gefunden, den er sich zuvor nicht einmal erhofft hätte.
Bek beobachtete und lauschte, hing den anderen an den unsichtbaren Lippen wie an einer Rettungsleine, und der Frieden, den Truls gefunden hatte, kehrte ebenfalls in ihm ein.
Als er aufwachte, war es Morgen. Dunstiges graues Licht kroch über die Bergspitzen im Osten, wo die Dämmerung anbrach. Das Feuer war erloschen, die rauchende Glut zu verkohlten Stümpfen verglüht. Bek streckte die Hand aus. Die Asche war noch warm. Neben ihm schlief Grianne lang ausgestreckt auf dem Boden, hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig und ruhig.
Er betrachtete sie einen Moment lang, dann erhob er sich und machte sich auf die Suche nach Truls Rohk.
Am Rande des flachen Stückes, wo er seinen Freund am gestrigen Abend zurückgelassen hatte, hielt er an. Geblieben waren lediglich ein Kapuzenmantel und ein paar verstreute halbausgebildete Knochen. Bek kniete sich hin, berührte sie, nahm den Mantel hoch und erwartete halb, darunter weitere Reste zu finden. Truls Rohk hatte immer so unzerstörbar auf ihn gewirkt, niemals hätte er für möglich gehalten, dass nur so wenig von ihm zurückbleiben würde. Dennoch war nicht mehr vorhanden. Nicht einmal Blutflecken waren auf dem harten, reifbedeckten Boden zu erkennen.
Bek erhob sich und sah sich Knochen und Mantel noch einen Moment lang an. Vielleicht war der größte Teil dessen, was Truls Rohk gewesen war, das, was Wert besessen hatte, in den neuen Truls Rohk mit eingegangen, der er nun war.
Fragte sich lediglich, ob die Gestaltwandler, und Truls mit ihnen, Bek beobachteten? Würde er jemals erfahren, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte?
Langsam ging er zurück zu dem erloschenen Lagerfeuer, weckte Grianne, nahm sie an den Händen und zog sie auf die Beine. Willig gehorchte sie, ihr ruhiges Gesicht war bar jeder Emotion, ihre schlaffe Ergebenheit traurig und kindlich. Bek war alles, was sie noch hatte, alles, das zwischen ihr und dem Schicksal stand, das sie sonst unweigerlich erleiden würde. Er war zu ihrem Beschützer geworden, so wie er es versprochen hatte.
Allerdings war er sich ganz und gar nicht sicher, ob er dieser Aufgabe gewachsen war, doch immerhin musste er es wenigstens versuchen und tun, was in seiner Macht stand, um sie beide zu retten.
Die beiden hielten sich wie kleine Kinder an den Händen und begannen mit dem Aufstieg.
Kapitel 46
Auf einem der Nachbarberge von jenem, den zu besteigen sich Bek und Grianne abmühten, schaute Quentin Leah gerade von seinem Frühstück aus Brot und Käse auf, als Kian am Rand der Bäume unterhalb
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