SHANNICE STARR (German Edition)
daraus, dass ihn die Enteignung Garrisons amüsierte. »Seit der Norden regiert, schwimmen Ihnen die Felle davon. Habe ich recht?«
Es war schwülwarm. Die Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen, doch die Hitze konnten sie nicht draußen halten.
»Seien Sie froh«, antwortete Dylan Garrison mit dünner Stimme. »Sonst wären Sie arbeitslos.«
»Männer wie ich haben immer etwas zu tun. Weil es überall auf der Welt Männer wie Sie gibt …«
Einen Moment schien es, als würde Garrison die Fassung verlieren. Die Situation belastete ihn, und die ungewisse Zukunft war nicht dazu angetan, ihm seine Unbeschwertheit zurückzugeben. Dennoch bewahrte er Ruhe und nahm die spitzen Bemerkungen Bensons mit Gelassenheit hin.
»Lassen wir das. Sagen Sie mir lieber, weshalb Sie mich so dringend sprechen wollten.«
»Es geht um Ihre Sicherheit. Wir könnten da ein kleines Problem haben, für das ich sogar meinen Saloonbesuch verschoben habe.«
»Mittags ist da sowieso nichts los«, entgegnete Garrison trocken. »Also, Benson, schießen Sie schon los. Oder müssen Sie sich erst mit Ihrem Boss absprechen?«
Benson schüttelte leicht den Kopf. »Er vertraut mir in dieser Beziehung. So lange der Zaster stimmt.«
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich habe zwar einen Großteil meines Besitzes verloren, bin aber immer noch flüssig.«
Cliff Benson lächelte und knetete seine Finger. »Daran habe ich keinen Zweifel. Ich weiß, wie großzügig Sie sein können. Daher wird es Sie interessieren, dass wir Ihre Schwierigkeiten in gewohnter Weise aus dem Weg räumen können.«
»Es gibt Ärger unter den Schwarzen?«, mutmaßte Garrison.
»Wahrscheinlich nichts, was einem die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Aber wir sollten vorsichtig sein. Einer Ihrer ehemaligen Sklaven hat eine Äußerung gemacht, die wir nicht ignorieren sollten. Auch wenn es eher lächerlich klingt, will dieser Nigger zum Gouverneur nach New Orleans.«
»Das sind mehrere Tagesritte«, wiegelte Garrison ab. »Glauben Sie außerdem im Ernst, der Gouverneur hätte nichts Besseres zu tun, als dem Geschwafel der Unterschicht Gehör zu schenken?«
Bensons Augen folgten Garrison, als dieser den Lehnsessel umrundete und bei seinem Schreibtisch stehenblieb.
»Deswegen bin ich eigentlich auch nicht beunruhigt«, versicherte Cliff Benson. »Aber auch kleine Leute wirbeln Staub auf. Ich will nicht riskieren, dass irgendwer hellhörig wird und vielleicht eine Garnison Soldaten ausschickt. Ebenso können wir keine Einmischung von Bundesagenten gebrauchen.«
Unschlüssig kaute Garrison auf seiner Unterlippe, stürzte das halbe Whiskyglas hinunter und knallte es auf den Tisch.
»Dann tun Sie, was Sie für nötig halten, Benson!«
»Mein Boss verlangt schon ein wenig mehr als aufmunternde Worte.«
Einige Sekunden vergingen, bevor Dylan Garrison eine Schublade seines Schreibtisches aufzog, hineingriff und ein Bündel Dollarnoten hervorholte.
»Das dürfte wohl fürs Erste reichen.« Er warf die Scheine auf die Holzplatte. »Setzen Sie sich in Bewegung!«
Schwerfällig erhob sich Benson aus dem Stuhl, griff nach den Banknoten und wiegte sie in der Hand.
»Alles zu seiner Zeit«, sagte er hintergründig. »Der Tag ist noch lang …«
Träge schob sich die Sonne hinter den Horizont und warf lange Schatten in das Hüttendorf bei den Baumwollplantagen. Der Tumult des Tages lag hinter den Menschen. Und auch wenn die Trauer blieb, kehrte nun allmählich die Ruhe der bevorstehenden Nacht ein.
Die Fenster in der Hütte von Batwama und Nogote waren geöffnet, um die Hitze des Tages zu vertreiben und kühle Abendluft einziehen zu lassen. M’gomba hockte auf seinem Bett, Nogote wiegte den kleinen Bakari in ihren Armen. Batwama saß gedankenverloren abseits in einem Korbstuhl und starrte hinaus auf den orangeroten Sonnenuntergang. Friedvolle Stille hatte sich ausgebreitet.
Erst war es nur ein leises Brausen, das aus weiter Ferne aufklang und an das Rauschen des Windes erinnerte. Zunehmend wurde es lauter, ließ bald schon die Erde vibrieren und steigerte sich zu einem Donnern.
Batwama horchte auf, warf einen Blick auf seine Frau, die ihr Zweijähriges auf die Knie gesetzt hatte, und schlenderte zur Tür. Das Gefühl innerer Unruhe vom Vorabend, als sie noch mit Kotowe und Jegepe zusammengesessen hatten, kehrte zurück. Dennoch zog er unter dem zwanghaften Drang, sich Gewissheit über den Lärm zu verschaffen, die Tür auf. Was er sah, füllte seine Adern mit
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