SHANNICE STARR (German Edition)
selbst nach einer weiteren Stunde änderte sich das Bild ihrer Umgebung nicht. Die Plains schienen in alle Richtungen bis zum Horizont zu reichen und wurden lediglich von sanften Hügelketten gesäumt. Shannice wich vom Weg ab, durchquerte eine Meile des Flachlands und dirigierte ihren Hengst auf eine Kuppe, um einen besseren Ausblick auf das Umland zu haben.
Wenn sie sich nicht täuschte, erkannte sie schwach die Silhouette einer kleinen Ortschaft. Shannices Augen verengten sich, um mehr Details wahrnehmen zu können, doch das, was sie sah, blieb diffus und ließ sich nur erahnen.
Eine Chance ist eine Chance, sagte sie sich und trieb ihr Pferd an. Plötzlich konnte sie es kaum mehr erwarten, in die Town einzureiten. Sollte sich ihre Beobachtung allerdings als Trugschluss erweisen, würde sie zumindest ihr Lager in der Prärie aufschlagen und sich ein wenig Ruhe gönnen. Nach einigen Stunden der Erholung konnte sie mit frischen Kräften ihre Reise fortsetzen.
Bereits eine halbe Stunde darauf folgte der Unsicherheit die Erleichterung. Es handelte sich tatsächlich um Häuser, die nun deutlich sichtbar vor ihr aufragten. Immer mehr Einzelheiten traten hervor. Doch je näher sie dem Städtchen kam, umso mehr dämpfte sich ihr Optimismus. Auf der Main Street, die von weitem erkennbar war und sich als breites Band zwischen den Häusern und Hütten hindurchzog, zeigte sich keine Menschenseele. Alles wirkte verlassen und verwildert, als wäre der Ort bereits seit langem unbewohnt.
Eine Geisterstadt. Shannice konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Wenigstens aber würde sie für die Nacht ein Dach über dem Kopf haben.
Im Schritttempo passierte sie das verwitterte Ortsschild. Es war an einer Seite aus der Aufhängung gebrochen und hatte sich in den Boden gebohrt. Wurde es von einer Bö erfasst, quietschte es in den Angeln.
Shannices Augen suchten die Gebäudereihen nach einem passenden Unterschlupf ab. In der Mitte der Main Street verhielt sie. Ein eigentümliches Kribbeln hatte sie erfasst, das wie ein Schauer ihren Rücken hinunterlief.
Shannice versuchte, alle störenden Empfindungen und Wahrnehmungen zu vertreiben und sich nur auf das Gefühl der Unruhe zu beschränken. Wie durch dichten Nebel drang das Quietschen des Ortsschildes an ihre Ohren. Es war die Ankündigung bevorstehenden Unheils, die einen lauen Sommerwind in einen Orkan verwandelte.
Einen Lidschlag darauf wurde die Geisterstadt von krachendem Bersten und dem Brüllen mehrerer Gewehrsalven erschüttert!
Mit der Wucht seines gesamten Körpers warf sich Tex Orchid vor und durchschlug die brüchige Bretterverkleidung der Scheune! Noch im selben Moment donnerten Schüsse. Und obwohl es unmöglich schien, den Sheriff zu verfehlen, spürte er lediglich den Gluthauch der sirrenden Kugeln über und neben sich vorbeifegen, ohne getroffen zu werden. Er überschlug sich im Wirbel der splitternden Bretter und verschwand in dem Loch, das er in die Scheune gebrochen hatte.
Gegenüber wurde der rauchende Lauf eines Gewehrs in ein Fenster zurückgezogen.
»Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet der trottelige Sheriff hier sehen lässt.« Die blonde Frau spuckte auf den Boden und lud ihre Rifle nach.
»Du kannst eine Menge von dem Sheriff behaupten, Lucy«, sagte Miles Conaghan, »aber vertrottelt ist er mit Sicherheit nicht. Anscheinend hat er seine Trägheit überwunden und den Kampf aufgenommen. Unsere Pläne wird er aber kaum stören können.«
»Unverbesserlicher Optimist!«, stieß Lucy Garrett aus. »Lass uns den Kerl fertigmachen und zurück zur Ranch gehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ein Wunder, dass Orchid uns ausgerechnet über den Weg läuft, wo wir doch nur die Beute vom Postkutschenüberfall holen wollten.«
Conaghan packte Lucy Garrett hart am Arm, sodass sich unwillkürlich die Muskeln ihres durchtrainierten Körpers spannten.
»Ich mache die Regeln!«, sagte er rau. »Und ich lasse nicht zu, dass uns irgendwer in die Quere kommt! Tex Orchid ist kein Problem! Allenfalls eine unwillkommene Behinderung. Wir kreisen ihn ein und bringen ihn zur Strecke.«
»Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag«, zischte Lucy und riss ihren Arm aus der Umklammerung. Ihr Kopf ruckte herum, als an der Hinterseite des Gebäudes die Tür lautstark aufgestoßen wurde. Herein kam ein hochgewachsener, muskulöser Mann mit langem, strähnigem Haar und einer Augenklappe.
»Was ist los?«, fragte er polternd. »Habt ihr den Bastard
Weitere Kostenlose Bücher