SHANNICE STARR (German Edition)
Eine unerklärliche Ruhe erfasste den Sheriff. Beinahe gelassen sah er den Hünen mit der Augenklappe an, der sich durch das Loch in der Scheune an ihn herangepirscht hatte. Mit jedem Atemzug rechnete Orchid damit, von einer weiteren Garbe aus unmittelbarer Nähe durchlöchert zu werden. Er schloss die Augen und erwartete den Tod.
Als schließlich die Schüsse donnerten, die er erwartet hatte, erfüllte ihn tiefer Frieden …
Erst die Hektik der umstehenden Personen verriet dem Sheriff, dass etwas Unvorhergesehenes geschehen war. Die Salve aus drei aufeinanderfolgenden Schüssen hatte nicht ihm gegolten.
»In Deckung!«, schrie Miles Conaghan. »Wer auch immer uns da aufs Korn genommen hat, wird es bitter bereuen!«
Gemeinsam mit Judy Garrett stürzte er durch die Scheune. Ungläubig tastete derweil Tex Orchid seine Brust ab und konnte es kaum fassen, mit dem Leben davongekommen zu sein.
»Was ist mit dem da?«, schnarrte Steamboat Jack und deutete mit seinem Gewehrlauf auf den Sheriff.
»Der läuft uns nicht weg!« Conaghan hatte seinen Revolver nachgeladen und visierte den Torspalt an. »Erst müssen wir wissen, wer uns aufgelauert hat.«
»Offenbar jemand, der selbst aus nächster Nähe sein Ziel verfehlt«, versetzte die blonde Judy.
»Oder es verfehlen wollte«, gab Conaghan zu bedenken. »Im letzten Fall haben wir es mit einer oder mehreren Personen zu tun, denen es augenscheinlich an der nötigen Rücksichtslosigkeit mangelt.« Er verzog die Lippen zu einem hintergründigen Lächeln. »Und das können wir uns zunutze machen.«
»Ich will das Miststück bloß vor der Flinte haben!« Judy Garrett legte ihre Rifle an und stolzierte zum Scheunenausgang. Kurz davor wandte sie sich zur Seite, verschwand in den Schatten und spähte hinaus.
»Irgendetwas Ungewöhnliches?«, legte Conaghan eine herausfordernde Betonung auf jedes Wort.
»Ich seh nur den Arsch von ’nem schwarzen Gaul«, maulte Judy.
» Ein Pferd?«, dehnte Miles Conaghan. »Tatsächlich nur eins?«
»Keine Ahnung, wie viele noch hinter dem Haus stehen. Vielleicht hat Orchid da einen ganzen Trupp zusammengerottet.«
Conaghan sah hinab zu dem Sheriff, der reglos am Boden lag und sich nun langsam aufrichtete.
»Der ist alleine gekommen«, meinte Conaghan selbstsicher. »Pures Glück, dass er uns gefunden hat.«
Judy Garrett teilte seine Zuversicht nicht. »Hab keine Lust, mich von schießwütigen Städtern einkesseln zu lassen! Ich geh raus und knöpf mir den Haufen vor!«
»Bin bei dir!«, rief Steamboat Jack. »Das ist genau die Sprache, die ich spreche.«
Miles Conaghan hielt ihn am Arm zurück.
»Sei kein verfluchter Narr! Heute stirbt keiner, der von mir nicht den ausdrücklichen Befehl dazu erhält!« Ein wenig versöhnlicher fügte er hinzu: »Denk an unser Vorhaben, und denk an die vielen harten Dollars. Willst du das alles wegwerfen …?«
Steamboat Jack zögerte, doch Judy Garrett war bereits ins Freie getreten.
»Zeigt euch, ihr lausigen Bastarde!«, schrie sie wütend. Die einzige Antwort, die sie erhielt, waren zwei Schüsse, die sich dicht vor ihren Fußspitzen in die Erde bohrten.
»Feige Ratten!«, fauchte die blonde Frau giftig und feuerte aufs Geratewohl los. Am Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite klirrten Fensterscheiben.
»Nur eine einzige Ratte!«, hallte es ihr entgegen. »Aber eine, die sich festbeißt, bis ihr krepiert seid!«
»Nur eine, Darling.« Miles Conaghan war hinter Judy Garrett aufgetaucht und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Der Stimme nach zu urteilen bloß eine Frau.«
Die blonde Garrett drehte ruckartig den Kopf und funkelte ihren Geliebten an. Der verstand den Wink und schwächte augenblicklich ab: »Natürlich nicht dein Kaliber, Liebes …«
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Judy Garrett. Ihrer stahlharten Miene war zu entnehmen, dass sie es sehr genau wusste und eigentlich nur die Bestätigung Conaghans suchte. Beide jedoch wurden einer Entscheidung enthoben, als die Tür in dem Gebäude aufschwang, aus dem auf sie geschossen worden war.
»Das Weibsbild mach ich alle«, knurrte Judy Garrett.
Miles Conaghan lächelte milde.
»In Anbetracht der Rifle, die sie auf uns richtet«, meinte er jovial, »würde ich mir das überlegen.« Er wandte den Blick der düsteren Gestalt zu, die regungslos in der Tür stand und sie anvisierte. »Wer sind Sie, und was wollen Sie von uns?«
»Ich heiße Starr«, entgegnete Shannice. »Shannice Starr. Und ich habe eine
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