SHANNICE STARR (German Edition)
allerdings Verletzungen beibringe, die nicht mehr heilen werden, findest du ganz bestimmt eine Gelegenheit, mir die Wahrheit zu erzählen. Die Aussicht, dass ich deinem Wort vertraue, könnte steigen …«
»Das ist Irrsinn!«, begehrte die Cheyenne auf. »Es ändert nichts an der Tatsache, dass du Lüge von Wahrheit nicht unterscheiden kannst …!«
»Ich habe auch lediglich die Möglichkeit in Aussicht gestellt«, belehrte sie Conaghan. »Spätestens, wenn der Sheriff sein blutiges Gedärm durch seine Finger rinnen sieht, gehe ich davon aus, dass du kein Verlangen mehr verspürst, mich zu hintergehen. Das würde mir in Anbetracht der Situation vollauf genügen.«
Damit war der Tod von Tex Orchid beschlossene Sache. Früher würde Miles Conaghan nicht zufrieden sein. Es war ein groteskes, menschenverachtendes Spiel, dessen Ergebnis mehr als fraglich war. Doch blickte Shannice in die Gesichter ihrer drei Peiniger, spiegelten sich darin pure Mordlust und das Vergnügen an der Qual ihrer Opfer wider. Vorrangig ging es ihnen gar nicht um das Erlangen von Informationen, sondern um den Spaß an der Folter. Zählte man zwei und zwei zusammen, dann wurde klar, dass sie sich mit der Tötung Orchids nicht begnügen würden. Shannice würde ihm in die Hölle folgen – auf mehr oder minder bestialische Weise. Genau diese Erkenntnis war es, die eine unbegreifliche Ruhe durch ihren Körper strömen ließ, selbst als eine zuckende Bewegung Conaghans den rechten Mundwinkel des Sheriffs bis unter das Ohr aufschnitt. Der Schrei des Verstümmelten war ein grässliches Kreischen, das in ein fassungsloses Wimmern überging. Das Blut strömte am Hals des Mannes hinab auf die Schulter und tränkte Mantel und Weste.
Energisch bäumte sich Shannice auf und zerrte an ihren Stricken.
»Bestie!«, spie sie aus.
»Na, na, na«, versuchte Conaghan zu beschwichtigen, »jetzt sieh dir das an! Das Blut dieses Hinterwäldlers hat meine Hand verschmiert.« Angeekelt wischte er seinen Handrücken an Orchids Kleidung ab.
»Die Indianerhure scheint immer noch nicht gesprächig«, rief Judy Garrett. Sie strich über die Knöchel ihrer Schlaghand. »Soll ich –?«
»Nein!«, wehrte Conaghan scharf ab. »Wir haben doch gerade erst angefangen, ihre Zunge zu lockern.« Er drehte das Messer wie abwesend zwischen den Fingern, sprang plötzlich auf Tex Orchid zu, ergriff dessen an den Balken geschnürte rechte Hand und setzte die Klinge an seinem Zeigefinger an. Instinktiv machte der Sheriff eine Faust, doch da schnitt das Messer bereits tief in sein Fleisch, durchtrennte den Finger und zog eine blutige Spur über die Handinnenfläche. Orchid brüllte auf und war nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren. Miles Conaghan hingegen bückte sich nach dem abgetrennten Finger, nahm ihn auf und hielt ihn Shannice entgegen.
»Du bist schuld!«, rief er aus. »Willst du diesen Mann wegen deiner Uneinsichtigkeit weiter leiden lassen? Mir macht es nichts aus. Die Frage ist nur, ob du mit dieser Schuld leben kannst.«
»Ich bin keine Agentin!«, wiederholte Shannice. Ihr Körper war pure Anspannung. Sollte sie etwas zugeben, was nicht der Wahrheit entsprach, nur um den Sheriff zu retten? Doch würde ihr Geständnis wirklich etwas ändern? Tief in ihrem Bewusstsein war die Überzeugung, dass, egal was sie sagte, es das Ergebnis nicht beeinflussen würde. Conaghan und seine Bande würden sie beide ermorden. Vielleicht würde es schneller gehen, wenn sie log. Doch der Tod schien unausweichlich.
»Mir scheint«, meinte Miles Conaghan, nachdem er Shannice einige Sekunden der Besinnung gewährt hatte, »dass du schwer zu beeindrucken bist. Und – ich gebe es nur ungern zu – offensichtlich sind meine Methoden nicht dazu geeignet, dir die Wahrheit zu entlocken.« Er gab Steamboat Jack einen Wink. »Daher übergebe ich die weitere Befragung in die Hände meines bewährten Mitarbeiters.«
Steamboat Jack stellte sich demonstrativ vor Shannice. Seine Miene war eine Totenmaske; die Augenklappe unterstrich diesen Eindruck noch. Er ließ sich von Conaghan dessen Messer reichen und hielt es einige Momente vor Shannices Gesicht. Dann durchschnitt er die Fesseln an ihren Händen und Füßen, packte sie mit der Linken kraftvoll am Hals und streckte sie mit einem brutalen Faustschlag zu Boden. Ein Tritt in die Rippen schleuderte die Cheyenne zur Seite, sodass sie keuchend auf dem Rücken liegen blieb. Der Hüne ergriff ihren erschlafften Körper und riss den nassen Mantel
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