SHANNICE STARR (German Edition)
behauptest, du seist die Frucht meiner Lenden.«
Morgan Troy wusste, was nun kam. Er hatte es bereits zu oft erlebt. Artig zog er seine Hose bis über die Knie und beugte sich über sein Bett.
»Glaube mir, mein Junge, es schmerzt mich mehr als dich, dass der Herr solches von mir verlangt.«
Wieder und wieder klatschte der Lederriemen auf die Haut des Kindes. Jeder Schlag schien härter und peinigender zu sein als der vorherige. Morgan Troy zählte die Schläge schon nicht mehr, aber er konnte die Qual auch nicht mehr länger unterdrücken.
Und so schrie er. Und schrie und schrie und schrie …
Zuerst dachte Reverend Morgan Troy, der peinigende Traum hätte ihn aus dem Schlaf hochfahren lassen. Doch dann bemerkte er, dass es die eigenartigen Geräusche gewesen sein mussten, die aus der Sakristei in seinen Schlafraum drangen. Sein erster Gedanke war, dass Rick Montana zurückgekehrt sein mochte, um ihm mit seiner durchtriebenen Art ein Zugeständnis zu entlocken. Doch derart schätzte Troy den Rinderzüchter trotz dessen Ungeduld nicht ein. Außerdem hätte er längst nach ihm gerufen oder sich anderweitig zu erkennen gegeben, damit ihm nicht das widerfahren wäre, was nun demjenigen bevorstand, der für die nächtliche Störung verantwortlich war.
Sofort war der Reverend auf den Beinen, rückte seine Robe zurecht, die er auch im Bett nicht abgelegt hatte, und langte nach der abgesägten Schrotflinte, die auf seinem Nachttisch lag. Auf leisen Sohlen schlich er zu der Tür, die direkt an den Andachtsraum anschloss. Als er sie einen Spalt breit öffnete, blickte er in matte Dunkelheit. Einige fahle Strahlen des Mondlichts verbreiteten schwachen Schein. Deshalb konnte er auch die Gestalt erkennen, die suchend zwischen den Bänken umhertappte.
Der kurze Lauf der Schrotflinte schob sich durch den Türspalt.
»Mach noch eine verdammte Bewegung, Fremder, und ich verteile die Grütze in deinem Schweineschädel über den ganzen Boden!«
»Machen Sie keinen Fehler, Reverend!«, schallte es durch das Kirchenschiff. Der Sprecher hatte einen eigenwilligen Akzent. »Ich bin kein Dieb und auch kein Mörder!«
»Dann hoch mit den Flossen!«, donnerte Troy. Augenblicklich ruckten die Arme der Gestalt hoch, und der Reverend trat durch die Tür. Immer noch hatte er den Fremden im Visier. Auf die Entfernung konnte er nicht danebenschießen. Und die kurzläufige Waffe würde scheußliche Wunden reißen.
Wenige Augenblicke darauf hatte Morgan Troy eine Petroleumlampe entzündet. In ihrem Licht schälte sich das Antlitz des ungebetenen Besuchers aus der Finsternis. Ein gebräuntes Gesicht mit den dunklen Schattierungen eines Stoppelbarts wurde erkennbar. Schwarze, buschige Augenbrauen verliehen ihm einen gemeingefährlichen Ausdruck.
»Ich habe etwas, das für Sie von Interesse sein könnte«, sprach der Mann, der mexikanischer Abstammung zu sein schien, weiter.
»Das will ich hoffen«, tönte Morgan Troy. »Bohnenfressern wie dir traue ich nämlich keinen Fingerbreit über den Weg.« Der Reverend ging einige Schritte auf den Mann zu, der immer noch die Hände erhoben hatte. »Wie ist dein Name?«
»Jorge«, antwortete der Mann.
»Wusste ich’s doch!«, sagte Troy selbstzufrieden. »Aber was führt einen abgehalfterten Vaquero wie dich ausgerechnet in diese Stadt?«
Als er die Antwort hörte, versteifte sich der Reverend unwillkürlich. Seine Miene verstrahlte eisige Kälte.
»Conaghan«, erwiderte Jorge. »Miles Conaghan …«
Morgan Troy rang um seine Fassung und senkte die Waffe ein kleines Stück. Auch Jorge nahm die Hände herunter.
»Was hast du mit ihm zu schaffen?«, blaffte der Reverend.
»Bis vor Kurzem noch habe ich zu seiner Bande gehört.«
»Und dann hat dich die Reue gepackt?«, höhnte Troy.
»Nein. Das war es nicht. Verstehen Sie, Reverend, Miles Conaghan ist das, was wir ›un hombre malo‹ nennen – einen bösen Mann.«
»Das weiß ich schon lange. Weshalb kommst du damit zu mir?«
Jorge überlegte und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Es ist kein Geheimnis, dass Sie ihn verdächtigen, hinter verschiedenen Überfällen im Umkreis von Cowdrey zu stecken.«
»Mag sein, dass ich es hier und da erwähnt habe.«
»Conaghan ist ein Mann von unvorstellbarer Grausamkeit«, berichtete Jorge. »Ebenso seine rechte Hand Dylan Slaine, den sie den ›Schlächter‹ nennen. Man kann ihre Reaktionen nicht vorausahnen. Sie haben bereits mehrere ihrer Gefolgsleute aus nichtigen
Weitere Kostenlose Bücher