SHANNICE STARR (German Edition)
Halsschlagader. Blut spritzte aus der klaffenden Wunde und durchtränkte ihr Nachthemd. Mit geweiteten Augen sackte Clarissa Norrington zusammen, als wäre sie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren.
Eine Weile noch zuckte sie, während sich neben ihrem Körper eine blutrote Lache ausbreitete.
Donald Lumley wischte sein Messer am Nachthemd der Toten ab, steckte es weg und verließ in aller Seelenruhe das Haus …
Je näher Frank Gilliam der Goldmine kam, desto mehr verstärkte sich sein Hass. Mayor Etherwood hatte ihn unter fadenscheinigen Gründen um seinen Besitz betrogen und wollte nun unermessliches Kapital aus dem Elend seiner Familie schlagen. So jedenfalls reimte Gilliam sich die Sache zusammen. Außerdem stand für ihn fest, dass der Tod seines Sohnes Jeremy unmittelbar mit dem Gold zu tun hatte, auch wenn er nicht wusste, wie dessen Ermordung ins Gesamtbild passte. Sein Hass jedoch wurde von diesem Gedanken nur gesteigert, und die Forderung nach Rache beherrschte sein gesamtes Handeln. Seine Bedenken, es ganz auf sich allein gestellt mit einer Bande wilder Schießer aufzunehmen, waren in den hintersten Winkel seines Verstandes gerückt. Frank Gilliam fühlte sich stark und nahezu unüberwindlich. Wenn er es geschickt anstellte, konnte er die Meute überraschen und bereits einen Großteil von ihnen zur Hölle schicken, bevor überhaupt einer zu reagieren vermochte.
Ganz bewusst hatte er einen anderen Weg gewählt, um zur Mine zu gelangen. Über unwegsames Gelände trieb er seinen Schecken voran, würde sich heranschleichen und ohne Vorwarnung das Feuer eröffnen.
Annähernd zwei Stunden benötigte Gilliam, um sein Ziel zu erreichen. Und als er aus der Entfernung die schemenhaften Gestalten erkannte, die ihr Werkzeug vom Wagen luden, erfüllte ihn eine tiefe Siegesgewissheit. Unwillkürlich fuhr seine Hand zum Colt. Der kalte Stahl verlieh ihm jene Sicherheit, die er brauchte, um seine Rache auszuführen.
Fast war es zu einfach. Keiner der Räuber und Mörder schien den einsamen Reiter zu bemerken, der sich im Schutz der Schneewehen durch das dunstige Grau heranpirschte. Frank Gilliam rutschte geduckt und lautlos aus dem Sattel und zog seinen Schecken zu den nahen Bäumen. Dann schlich der Farmer auf einige Felsen zu und verschanzte sich dahinter. Vorsichtig schob er den Kopf hoch und linste über den Vorsprung. Er war höchstens siebzig Yards von der Mine entfernt. Seine Gegner waren dunkle Schemen, die sich deutlich gegen das Weiß der Umgebung abzeichneten.
Wieder griff Gilliam nach seinem Revolver, streckte den Coltarm aus und nahm den ersten Banditen ins Visier. Der lehnte mit zwei anderen am Werkzeugkarren und rauchte einen Zigarillo. Wenn Gilliam schnell war, konnte er gleich drei der Kerle auf einen Streich erledigen.
Seine Schusshand lag ruhig, fast wie erstarrt auf dem Felsen, während er den Finger der rechten Hand um den Abzugshahn spannte. Noch zögerte Gilliam. Noch waren leise Zweifel in ihm. Doch sein Zorn brannte zusehends stärker, wurde zu einer lodernden Flamme der Rache. Und als das Gesicht seines toten Sohnes in seinem Bewusstsein erschien, zog er wild entschlossen den Stecher seiner Waffe durch.
Obwohl Frank Gilliam gut gezielt hatte, verfehlte die Kugel ihr Opfer um einen guten Meter und hackte in die Holzstreben des Wagens. Das verhallende Donnern des Colts war wie eine grausige Verhöhnung seines Scheiterns.
Noch während ein Aufschrei durch die Menge ging, feuerte Gilliam mehrere Schüsse ab, bis die Revolvertrommel leer war und der Abzugshahn auf blanken Stahl schlug. Alle sechs Kugeln waren ins Leere gegangen.
»Hinter den Felsen!«, ertönte ein kehliger Ruf. »Packt ihn!«
Ein heißer Schauer lief durch Gilliams Körper. Schon rannten drei, vier der Schießer heran, fächerten auseinander und liefen im Schutz von Buschwerk, Bäumen und Felsen auf ihn zu. Sie würden ihn in die Zange nehmen und gnadenlos über ihn herfallen, noch bevor er seinen Revolver nachgeladen hatte.
Geschwind zog Gilliam den Kopf ein und duckte sich hinter die Felsen. In hektischer Eile warf er die Trommel des Colts aus, schmiss die Patronenhülsen in den Schnee und fingerte in den Taschen seines Mantels nach frischer Munition. Hin und wieder hörte er Geräusche, die seine Verfolger verursachten, und die ihn anpeitschten, sich noch mehr zu beeilen.
Ich habe keine Chance!, hämmerten Frank Gilliams Gedanken. Nicht einmal ein unbewegliches Ziel habe ich getroffen! Wie
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