SHANNICE STARR (German Edition)
tut’s doch, oder?«
»Was willst du von mir?«, ertönte ein heiseres Krächzen. Mehr konnte der Angeschossene nicht sagen, denn Shannice drehte den Revolverlauf weiter in das klaffende Schulterloch und schien die Veränderung der Tonlage in den Schmerzensschreien des Kerls zu studieren.
»Ich will wissen, welches Spiel Etherwood treibt. Sag es mir, und ich erlöse dich. Du kannst es sein lassen und dabei qualvoll zugrunde gehen.«
»Einen Dreck erzähle ich dir!«, keuchte der Sterbende. »Aus mir bekommst du nichts heraus!« Er hob den Kopf an, ließ sich jedoch sogleich gequält zurücksinken.
»Das ist ein übler Bauchschuss«, meinte Shannice beiläufig. Sie nahm die Hand des Mannes beiseite, der nicht mehr die Kraft besaß, ihr Widerstand entgegenzubringen. Behutsam strichen die Fingerkuppen der Cheyenne über das Einschussloch. Sie führte Daumen, Zeige- und Mittelfinger zusammen, sodass sie eine Spitze bildeten, und stieß sie brutal in das blutende Loch. Der Kerl brüllte auf, sein Oberkörper zuckte hoch und sein rechter Arm wollte Shannices Hand wegschlagen. Doch es war nur eine kraftlose Attacke, die nichts bewirkte.
»Wer hat den kleinen Jeremy auf dem Gewissen?«, fragte Shannice weiter und wirkte leidlich unbeteiligt, während sie ihre Finger tiefer in die Wunde schob und dabei leicht drehte. »Warum musste das Kind sterben? Wer gab euch den Auftrag?«
»Hör auf!«, kreischte der Verwundete in Agonie. »Ich weiß nichts von einem Jeremy!«
»Je öfter du mich anlügst, desto schlimmer wird es für dich.«
»Wir waren das nicht! Wir sollten bloß alle Zeugen auf der Farm beseitigen!«
»Zeugen?«, wiederholte Shannice und verringerte den Druck ihrer Finger. »Diese Menschen waren harmlose Farmer. Ihr habt doch bereits bekommen, was ihr wolltet. Die Morde waren völlig überflüssig.«
»Lumley wollte sie weghaben!« Die Worte waren kehlige, unartikulierte Laute. »Lumley will alle weghaben, die ihm Probleme bereiten könnten …«
»Ihm und dem Mayor?«, hakte Shannice nach. »Steckt er dahinter? Hat er euch Kakerlaken den Auftrag gegeben?«
»Ja, verflucht!«, brach es aus dem Mann hervor. »Etherwood ist eine feige Ratte! Die Drecksarbeit müssen andere für ihn erledigen …«
Shannice Starr hatte genug gehört. Sie zog die Finger aus dem Fleisch des Sterbenden und wischte das frische Blut an dessen Mantel ab.
»Wenn du an Gott glaubst, hast du gleich die Gelegenheit, ihm das selbst zu sagen …«
Sie drückte dem verkrümmt Daliegenden die Mündung ihres Remington ins Auge und spannte den Hahn.
Ohne mit der Wimper zu zucken drückte sie ab!
Emotionslos blickte sie auf den zerschossenen Schädel. Die Augenhöhle war zerfetzt und rußgeschwärzt; der explosive Druck hatte einen Riss in der Stirn verursacht. Das Blut war kreisförmig verspritzt und tränkte den Schnee.
Abwesend reinigte Shannice den Revolver und steckte ihn ins Holster. Gleich darauf verschwand sie erneut im Farmgebäude, sah sich gründlich um und trat wieder ins Freie.
Keine Spur von Frank Gilliam, dachte sie nachdenklich.
Das Halbblut ahnte, dass er etwas unglaublich Dummes getan hatte …
Frank Gilliam hatte die Waldschneise hinter sich gelassen und erreichte den Trail, der zur Farm führte. Die Erleichterung, seinen Verfolgern entkommen zu sein, äußerte sich in einem befreiten Aufatmen. Er tätschelte den Hals seines Schecken, der im Schritttempo weitertrabte. Gilliam hatte keine Eile mehr. Sein Plan stand fest. Der Aufbruch seiner Familie war beschlossene Sache. In Pilgrim’s End hielt ihn nichts mehr. Er würde die Stadt, die Berge und die Kälte des unbarmherzigen Winters hinter sich lassen. Seine Zukunft sah er weiter südlich, in einer Gegend vielleicht, die wärmer und freundlicher war. Dort konnten er, seine Frau Gwendoline und sein Sohn Billy-Bob neu anfangen.
Eine ganze Weile ritt er in Gedanken versunken den Trail entlang, bis er sein Pferd zügelte und zu lauschen begann. Ein eigentümliches Geräusch lag in der Luft, das als dumpfer Klangteppich die Stille und das leise Säuseln des Windes zu überlagern begann. Schließlich erkannte er undeutlich die Schattenrisse zweier Reiter, die ihm auf dem Trail entgegenkamen – unmittelbar aus der Richtung, in der seine Farm lag!
Das Geräusch in seinen Ohren verstärkte sich. Es war ein gedämpftes Brodeln, das unmöglich von den beiden Reitern stammen konnte. Frank Gilliam drehte langsam den Kopf nach hinten. Was er sah, ließ ihn
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