SHANNICE STARR (German Edition)
Nur wenige Meter vor ihr saß Sheriff Strother Heart auf einem Stuhl, die Füße lang über den Tisch gelegt und in ein Büchlein vertieft.
»Sie können mich hier nicht ewig festhalten!«, rief Shannice erbost. »Auch Sie sind dem Gesetz verpflichtet und können sich nicht darüber hinwegsetzen!«
Heart sah kurz auf, klappte das Büchlein zu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Ich könnte dich in meinem Office erschießen und würde dafür noch einen Orden bekommen, Schätzchen«, korrigierte sie der Sheriff. Er hob seine Lektüre hoch und deutete mit einem leichten Nicken darauf. »Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Da gibt’s ein paar Paragrafen, die mir alle Rechte verleihen, die ich brauche, um schwarzes, gelbes oder rotes Kroppzeug auszumerzen. Selbst wenn du nackt flüchtest und ich dich hinterrücks abknalle wie eine tollwütige Hündin, ist das Gesetz auf meiner Seite. Die wenigen Staatsfeinde, die euch und eure zweifelhaften Rechte zu schützen versuchen, interessieren mich dabei nicht. In dieser Stadt bin ich das Gesetz, der Richter und der Henker. Und ich habe keine Skrupel, diese Macht einzusetzen. Willst du also die Aufsässige spielen, hast du genau zwei Sekunden Zeit, Manitu ein Stoßgebet zu schicken, bevor ich dich postwendend zu ihm verfrachte.«
Shannice Starr ließ die Gitterstäbe los.
»Ich habe Hunger«, sagte sie nur. »Und mein Pferd ebenso.«
»Dem Gaul geht’s gut. Verdammt schönes Tier. Wüsste gern, wem du dafür das Lebenslicht ausgeblasen hast.«
»Er gehört mir.« Sie legte eine kurze Pause ein und sprach dann weiter. »Wie sieht’s jetzt mit einem Happen zu essen aus?«
»Ich weiß zwar nicht, warum ich eine Brut wie dich aufpäppeln soll, aber dein Futter ist unterwegs.«
»Was haben Sie mit mir vor?«, fragte Shannice, in deren Bauch es rumorte. »Ich habe nichts getan. Meine Verhaftung ist völlig aus der Luft gegriffen.«
»Ich wiederhole mich nur ungern«, reagierte Strother Heart ungehalten, »aber so lange ich in diesem Kaff zu sagen habe, bin ich niemandem Rechenschaft schuldig. Im Saloon des Bergbaudörfchens ist ein Weißer kaltblütig von einem verfluchten Nigger erschossen worden. Da ich deine Visage nicht kenne, bist du zwangsläufig verdächtig. Und falls du noch mehr quatschst, demoliere ich sie dir dermaßen, dass kein Doc der Welt dich mehr zusammenflicken könnte. Was ein Segen für die Menschheit wäre, weil du dann so gottverdammt hässlich aussehen würdest, dass nicht mal der hinterletzte schankerverseuchte gelbe Schienenflicker sein Sperma in deinen verlausten Wanst jagen würde, um mit seiner Nachkommenschaft die Welt zu verpesten.«
Shannice lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch in diesem Moment klopfte es an die Tür des Offices, und kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Herein kam eine junge Frau, ganz in Weiß gekleidet mit einem ebensolchen Spitzenhäubchen. Sie trug ein Tablett, auf dem ein Teller und ein Becher standen.
»Entschuldigen Sie, Sheriff«, sagte die Frau. »Ich bringe das Essen für die Gefangene.«
»Immer herein, Stella«, antwortete Strother Heart. »Füttere die Missgeburt, damit sie uns noch lange erhalten bleibt.«
»Soll ich für den Mann auch eine Mahlzeit herrichten?« Stella deutete zaghaft mit dem Kinn auf die Zelle neben der von Shannice. Der Indianer dort lag halb aufgerichtet mit dem Rücken gegen die Wand gestützt auf seiner Pritsche.
»Der ist voll wie ’ne Haubitze«, meinte Heart. »Der reihert uns nur den Boden voll, wenn er was zu essen bekommt.«
Stella nickte unmerklich und näherte sich Shannices Zelle. Ihr Blick haftete einen Moment zu lange auf dem Halbblut. Sie bemerkte es, als sie den fragenden Ausdruck in Shannices Augen sah, und senkte schüchtern den Kopf.
»Schieb den Fraß unter den Gitterstäben durch«, wies Strother Heart die junge Stella an. »Und komm unserem Gast nicht zu nahe. Diese Indios hecken doch immer irgendeine Hinterlist aus.«
Vorsichtig, dass der Saum ihres Kleides kaum den Boden berührte, ging Stella in die Knie und schob das Tablett halb durch den Spalt. Shannice bückte sich erst danach, als die Frau bereits wieder aufgestanden war.
»Was haben Sie getan, dass der Sheriff Sie festgenommen hat?«, fragte Stella.
Shannice zog das Tablett in den Innenraum der Zelle und sah auf.
»Wer will das wissen?«, stellte sie eine Gegenfrage.
»Antworte schon!«, blaffte Strother Heart, doch Stella winkte ab.
»Mein Name ist Stella Winwood.
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