SHANNICE STARR (German Edition)
einziger Antrieb war eine warme Mahlzeit und ein Schlaflager. Als sie von den Leuten auf dem Platz bemerkt wurde, verfielen diese in Unruhe und Hektik. Aufgeregt deutete jemand in ihre Richtung. Der Geste folgte ein Ausruf, der zwar laut, aber unverständlich war. Daraufhin wurden auch andere aufmerksam, drehten sich zu der einsamen Reiterin hin und waren versucht, zu ihren Waffen zu greifen.
Macht bloß keinen Ärger, dachte Shannice, verlagerte ihr Gewicht im Sattel, um ihr Gesäß zu entlasten, und hob einen Arm.
»Keine Aufregung!«, rief sie der Menge zu. »Ich bin nur auf der Durchreise und brauche eine Unterkunft.«
Sie registrierte die Unsicherheit jener, die offenbar eine Angreiferin in ihr sahen, und wiegelte erneut ab: »Nur essen und schlafen. Mehr habt ihr von mir nicht zu erwarten.«
»Sie gehört zu ihm!«, schallte es zu ihr herüber. »Sie will uns alle töten!«
Bloß das nicht!, dröhnte es in Shannices Kopf. Bloß kein Kampf!
Die ersten Colts wurden erhoben und auf sie gerichtet. Shannice wollte bereits nach dem Scabbard greifen, um ihr Gewehr zu ziehen, als ein Reiter auf die Versammelten zupreschte.
»Auseinander!«, donnerte eine befehlsgewohnte Stimme.
Was für ein Glück!, zeigte sich Shannice erleichtert. Den Mann schickt der Himmel. Sie erinnerte sich daran, dass sie ein ähnliches Erlebnis bereits mit Cassidy gehabt hatte, der in letzter Sekunde erschienen war, um sie vor dem Strick zu retten.
Entspannt ritt sie die Straße entlang, vorbei an den roh gezimmerten Hütten und hinüber zum Platz. Der Reiter hatte die Menschenmenge aufgescheucht und sein Pferd gezügelt. Erst als Shannice nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, bemerkte sie den Revolver, den er in Höhe seiner Hüfte auf sie angelegt hatte. Die linke Gesichtshälfte des Mannes war von einer tiefen Messernarbe entstellt. In seinen Augen glommen Unerbittlichkeit und ein Funken von Hass.
»Sehe ich nur ein Zucken von dir, Indianermädchen«, rief der Reiter ihr zu, »findest du am Wegesrand ein kaltes Grab.«
»Ich sagte doch schon, dass ich nur eine Schlafstatt suche und ein wenig zu essen«, versuchte Shannice, jedem Streit aus dem Weg zu gehen.
»Wir werden noch sehen, was du wirklich willst, Bitch. Und jetzt steig aus dem Sattel und leg die Hände hinter den Kopf.«
In Shannice regte sich Widerstand.
»Lassen Sie den Unsinn!«, erwiderte sie energisch. »Ich will nichts von euch! Wenn ich hier nicht willkommen bin, sagt mir wenigstens, wo es zur nächsten Stadt geht.«
Ein Schuss bellte auf und fegte Shannice den Hut vom Kopf.
»Ich warne dich, Squaw! Die nächste Kugel steckt in deiner Brust!«
Unwillig zügelte Shannice ihren Rappen. Sie glitt vorsichtig aus dem Sattel, sammelte ihren Hut auf und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Zufrieden, Mister?«, fragte sie anzüglich.
»Sheriff Strother Heart«, stellte der Reiter richtig. »Sieht aus, als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen, um euch rotes Pack in eure Schranken zu verweisen.«
»Ich bin Halbindianerin«, sagte Shannice. »Mein Vater war Engländer. Wenn Sie damit ein Problem –«
Strother Heart fuhr ihr ins Wort. »Alles ein und dasselbe Geschmeiß! Nur weil deine verhurte Mutter von einem Weißen geschwängert wurde, macht dich das nicht zu etwas Besserem als rotem Dreck! Wirst dich wohlfühlen in der Zelle neben deinem Stammesbruder.«
»Sie wollen mich einsperren?«, rief Shannice aus. »Wie lautet die Anklage?«
»Herumstreunerei und Beihilfe zum Mord.«
»Das können Sie nicht beweisen!«
»Aber ich werde es versuchen. Und bis dahin bleibst du eingelocht, Rothaut!«
Heart ging mit vorgehaltenem Revolver auf Shannice zu. Dann sah es aus, als wollte er die Waffe wegstecken, doch mit einem blitzschnellen Schwinger verpasste er Shannice einen Schlag gegen die Schläfe.
Bewusstlos fiel die Cheyenne in sich zusammen. Der Sheriff beachtete sie vorerst nicht weiter und ließ sich von den Anwesenden den Hergang der Schießerei berichten, deretwegen er sich in Marsch gesetzt hatte. Wenige Minuten später legte er Shannice wie einen nassen Sack über den Rücken ihres Rappen, band ihn an sein Pferd und ritt nach River Hills.
Dumpfer Schmerz pochte in Shannices Kopf, als sie erwachte. Ihr erster Blick streifte die Stahlgitter ihrer Zelle, der zweite den kauernden Indianer in der Zelle nebenan. Sie erhob sich von der Filzmatte auf dem Metallbett, stellte sich vor die Gitterstäbe und umfasste sie mit beiden Händen.
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