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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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zeigen.«
    Ich zögerte.
    »Bitte machen Sie sich keine Umstände, ich …«
    »Das bereitet keine Umstände, Mr. Lin. Kommen Sie, setzen Sie sich. Unser Fahrer ist mein guter Freund Nasir.«
    Ich stieg ein. Abdullah schlug die Tür hinter mir zu und setzte sich dann vorne neben den Fahrer, der den Rückspiegel neu einstellte, um mich abermals darin zu fixieren. Das Auto rührte sich nicht vom Fleck.
    »Chillum bono«, sagte Khaderbhai zu Abdullah. Bereite ein Chillum vor.
    Abdullah zog eine der trichterförmigen Pfeifen aus der Jackentasche, legte sie neben sich auf den Sitz und vermischte Haschisch und Tabak. Dann drückte er ein Klümpchen Haschisch, Goli genannt, auf ein Streichholz und erhitzte es mithilfe eines anderen, brennenden Streichholzes. Der Geruch des Charras verwob sich mit dem Fliederduft. Der Motor lief immer noch leise im Leerlauf. Niemand sprach.
    Drei Minuten später war das Chillum bereit, und Abdullah reichte es Khaderbhai. Der nahm den ersten Zug und reichte das Chillum dann an mich weiter. Nachdem Abdullah und der Fahrer ebenfalls daran gezogen hatten, ging es ein weiteres Mal herum. Dann reinigte Abdullah die Pfeife schnell und gründlich und steckte sie wieder ein.
    »Challo«, sagte Khader. Fahren wir.
    Der Wagen fuhr langsam an, und durch die schräge Windschutzscheibe floss das Licht der Straßenlampen zu uns herein. Der Fahrer ließ eine Kassette im Tapedeck einrasten. Mit voller Lautstärke dröhnten aus den Lautsprechern hinter uns die ergreifenden Klänge eines Ghazals. Ich war so stoned, dass ich spürte, wie mein Gehirn im Schädel vibrierte, doch die anderen drei Männer wirkten vollkommen ruhig und beherrscht.
    Die Fahrt ähnelte auf gespenstische Weise den zahllosen Autofahrten, die ich mit Freunden in Australien und Neuseeland gemacht hatte. Wir rauchten Hasch oder Gras, drehten die Musik auf und gondelten mit dem Auto herum. In meiner Kultur verhielten sich allerdings vor allem die Jugendlichen so. Jetzt dagegen befand ich mich in Gesellschaft eines mächtigen Mannes, der wesentlich älter war als Abdullah, der Fahrer oder ich. Und die Musik, die wir hörten, war zwar rhythmisch, doch es wurde in in einer Sprache gesungen, die ich nicht verstand. Diese Fahrt war eine vertraute und zugleich verstörende Erfahrung – etwa so, wie wenn man als Erwachsener auf den Schulhof seiner Kindheit zurückkehrt –, aber trotz der einschläfernden Wirkung der Droge konnte ich mich nicht richtig entspannen.
    Ich hatte keine Ahnung, wo wir hinfuhren. Ich hatte keine Ahnung, wie oder wann wir zurückkommen würden. Wir fuhren in Richtung Tardeo, entfernten uns also von meinem Zuhause im Slum von Colaba. Während die Minuten verstrichen, dachte ich über den indischen Brauch der freundschaftlichen Entführung nach. Seit Monaten gab ich im Slum immer wieder den vagen und geheimnisvollen Aufforderungen von Freunden nach, die mich einluden, sie zu unbestimmten Zwecken an unbestimmte Orte zu begleiten. Komm mit, sagten die Leute nachdrücklich und lächelten, aber niemand von ihnen verspürte je die Notwendigkeit, mir zu sagen, wohin oder warum. Jetzt gleich! Am Anfang hatte ich ein paar Mal Widerstand geleistet, doch ich lernte bald, dass diese obskuren, ungeplanten Ausflüge sich immer lohnten, oft interessant und unterhaltsam und nicht selten wichtig waren. Nach und nach lernte ich, mich zu entspannen, zu fügen und auf meinen Instinkt zu vertrauen, wenn ich auf gut Glück mit Leuten irgendwohin ging, so wie auch jetzt bei Khaderbhai. Ich habe es nie bereut und bin von den Freunden, die mich zu einer Überraschungstour entführten, kein einziges Mal verletzt oder enttäuscht worden.
    Als das Auto die lange sanfte Steigung genommen hatte, auf deren anderen Seite es zur Haji-Ali-Moschee hinunterging, stellte Abdullah den Kassettenrekorder ab und fragte Khaderbhai, ob er wie üblich in das Restaurant dort gehen wolle. Khader betrachtete mich einen Augenblick lang nachdenklich, dann lächelte er und nickte dem Fahrer zu. Er klopfte mit den Fingerknöcheln seiner Linken zweimal auf meine Hand und legte sich dann den Daumen auf die Lippen. Sei jetzt still, bedeutete diese Geste. Sieh dich um, aber sag nichts.
    Wir hielten in einer Parkbucht ein Stückchen abseits von etwa zwanzig anderen Autos an, die in einer Reihe vor dem Haji-Ali-Restaurant standen. Obwohl fast ganz Bombay nach Mitternacht schlief oder zumindest so tat, gab es in der Stadt Orte, an denen das Nachtleben pulsierte, Inseln der

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