Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
und ich.«
    »Ach ja? Wohin?«
    »Das sage ich dir, wenn wir dort sind. Komm jetzt.«
    Wir traten aus der Hütte, wo uns Johnny Cigar begrüßte, der offenbar gelauscht hatte. Er lächelte mich an, bedachte Abdullah mit einem finsteren Blick und wandte sich dann wieder lächelnd zu mir. Jetzt war sein Lächeln allerdings von finsteren Schatten durchsetzt.
    »Hallo, Johnny. Ich bin eine Weile weg. Kannst du aufpassen, dass die Kinder nicht an die Medikamente gehen? Ich hab ein paar neue Sachen ins Regal gestellt, und einiges von dem Zeug ist gefährlich.«
    Johnny reckte gekränkt das Kinn vor.
    »Niemand wird was in deiner Hütte anrühren, Linbaba! Was redest du? Du könntest eine Million Rupien drin liegen lassen, und keiner würde sie anrühren. Oder Gold. Nicht mal die Bank of India ist so sicher wie Linbabas Hütte.«
    »Ich hab doch nur gemeint, dass …«
    »Selbst Diamanten könntest du drin lassen. Und Smaragde. Und Perlen.«
    »Hab’s kapiert, Johnny.«
    »Das ist alles überflüssig«, warf Abdullah ein. »Sein mageres Einkommen würde ihm ohnehin keiner klauen. Weißt du, was er letzte Woche verdient hat?«
    Johnny Cigar schien Abdullah nicht zu trauen. Seine feindselige Miene wurde noch verkniffener, doch schließlich gewann seine Neugier die Oberhand.
    »Wie viel denn?«
    »Ich finde nicht, dass wir das vertiefen müssen, Jungs«, knurrte ich, bemüht, jede weitere Diskussion über meine Einkünfte abzublocken, denn so etwas konnte Stunden dauern.
    »Tausend Rupien«, sagte Abdullah und spuckte zur Bekräftigung aus.
    Ich packte ihn am Arm und schubste ihn in die Gasse zwischen den Hütten.
    »Komm, Abdullah. Wir wollten doch irgendwohin, oder? Machen wir uns auf den Weg, Bruder.«
    Wir gingen ein paar Schritte, aber Johnny Cigar folgte uns und hielt mich am Ärmel fest, sodass ich ein paar Schritte hinter Abdullah zurückblieb.
    »Herrje, Johnny! Ich will jetzt nicht darüber reden, wie viel ich verdiene! Ich verspreche dir, dass du mir später ein Loch in den Bauch fragen kannst, aber …«
    »Nein, Linbaba, das ist es nicht«, flüsterte er heiser. »Dieser Mann, dieser Abdullah – du solltest ihm nicht trauen! Mach keine Geschäfte mit dem!«
    »Was soll das heißen? Was ist los, Johnny?«
    »Lass einfach die Finger davon!«, wiederholte er und wollte weitersprechen, doch Abdullah drehte sich um und rief nach mir, worauf Johnny sich verdrießlich davonmachte.
    »Gibt es Probleme?«, fragte Abdullah, als ich zu ihm aufschloss und wir zwischen den mäandernden Hüttenreihen entlanggingen.
    »Nein, alles in Ordnung«, antwortete ich, obwohl es nicht stimmte. »Alles bestens.«
    Abdullahs Motorrad war auf der Straße vor dem Slum geparkt, wo es von ein paar Jungen bewacht wurde. Der Größte schnappte sich den Zehn-Rupien-Schein, den Abdullah ihnen reichte, und die zerlumpte Bande rannte laut johlend davon. Abdullah trat den Kickstarter, und ich kletterte auf den Soziussitz. Ohne Helm und Motorradkleidung, nur mit Hosen und dünnem Hemd bekleidet, fädelten wir uns in den turbulenten Verkehr ein und fuhren am Meer entlang Richtung Nariman Point.
    Wenn man sich mit Motorrädern auskennt, kann man am Fahrstil viel über den Fahrer erkennen. Abdullah fuhr eher instinktiv als konzentriert. Er beherrschte das Motorrad so selbstverständlich wie seine Beine und lenkte es mit einer Mischung aus Geschicklichkeit und Intuition durch den Straßenverkehr. Er bremste beispielsweise ohne ersichtlichen Grund und beugte damit einer Vollbremsung vor, die weniger intuitive Fahrer hätten machen müssen. Manchmal beschleunigte er und stieß in eine unsichtbare Verkehrslücke, die sich wie durch Zauberei just in dem Moment auftat, als ein Unfall unvermeidlich schien. Obwohl mir sein Fahrstil zunächst ziemlich an den Nerven zerrte, begann ich ihm nach einer Weile zögernd zu vertrauen und mich zu entspannen.
    Am Chowpatty Beach bogen wir Richtung Nana Chowk ab und ließen das Meer hinter uns. Zwischen den hoch aufragenden Häuserreihen verebbte die kühle Brise aus der Bucht langsam und erstarb dann ganz. Mit Schwärmen von Autos trieben wir in einem dunstigen Strom.
    Die Architektur in dieser Gegend stammte aus der mittleren Periode von Bombays Entwicklung zur großen Hafenstadt. Einige massive Gebäude im Stil der britischen Kolonialzeit waren über zweihundert Jahre alt. Die kunstvollen Details an den Balkonen, Fensterumrandungen und gestuften Fassaden strahlten eine luxuriöse Eleganz aus, die sich die moderne Stadt

Weitere Kostenlose Bücher