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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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er weinte – er schluchzte erbärmlich, und sein Gesicht zuckte dabei. Bevor ich etwas sagen konnte, schob er sich an mir vorbei, wich der ausgestreckten Hand des Wärters aus und ging auf den Bären zu. Mit ausgebreiteten Armen blieb er vor Kano stehen, umfasste ihn und drückte sich an ihn, legte seinen Kopf an den des Tieres und streichelte, zärtlich murmelnd, Kanos zotteliges Fell. Ich wechselte einen Blick mit dem Wärter. Der Mann zog die Augenbrauen hoch und schüttelte energisch den Kopf. Er war sichtlich beeindruckt.
    »Ich habe das übrigens als Erster gemacht«, hörte ich mich auf Marathi sagen. »Vor ein paar Wochen. Ich habe diesen Bären als Erster umarmt.«
    Der Wärter verzog den Mund zu einem mitleidigen und zugleich verächtlichen Grinsen.
    »Aber sicher doch«, spottete er. »Ganz bestimmt!«
    »Prabaker!«, rief ich. »Können wir vielleicht mal weitermachen?«
    Er löste sich von dem Bären und wischte sich im Gehen mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Sein Elend war so groß, dass ich unwillkürlich den Arm um ihn legte, um ihn zu trösten.
    »Hoffe ich, das macht dir nichts, Lin«, warnte er mich. »Ich rieche ziemlich viel nach der Bär.«
    »Schon gut«, sagte ich sanft. »Schon gut. Sehen wir mal, was wir tun können.«
    Nach weiteren zehn Minuten Diskussion mit den Wärtern und den übrigen Polizisten war klar, dass wir weder die Bärenführer noch ihren Bären gegen eine Kaution freibekommen konnten. Es war einfach nichts zu machen. Wir gingen wieder hinauf an die Gittertür und teilten den Bärenführern mit, dass wir ihnen leider nicht helfen konnten, worauf erneut eine aufgeregte Diskussion mit Prabaker folgte.
    »Wissen sie es, dass wir nicht können helfen«, klärte mich Prabaker nach ein paar Minuten auf. »Was sie wollen, ist, dass sie sind bei Kano in die Zelle verhaftet. Machen sie sich viel große Sorgen um der Kano, weil ist er einsam. Hat er nie nicht allein geschlafen seit sein Babysein, kein einzige Nacht. Nur deshalb sind sie so gewaltig besorgt. Sagen sie, wird der Kano Angst haben. Wird er schlecht schlafen und wird er haben zu viele schlechte Träume. Wird er weinen, weil er ist so sehr schlimm einsam. Und wird er sich schämen, dass er ist im Gefängnis, denn normalerweise ist er ein viel braver Bürger, diese Bär. Wollen sie nur in diese Zelle zu Kano und gute Gesellschaft sein für den Kano.«
    Einer der Bärenführer sah mir direkt in die Augen, als Prabaker seine Erklärung beendet hatte. Der Mann war zutiefst verstört, sein Gesicht vor Sorge in Falten gelegt. In seinem Kummer verzog er den Mund so heftig, dass es aussah, als fletsche er die Zähne. Er sagte immer wieder denselben Satz, in der Hoffnung, dass ich ihn irgendwann verstehen würde, wenn er ihn nur oft genug und mit viel Gefühl vorbrachte. Plötzlich brach Prabaker erneut in Tränen aus, hielt sich an den Gitterstäben fest und schluchzte wie ein Kind.
    »Was hat er gesagt, Prabu?«
    »Hat er gesagt: Muss man sein Bär lieb haben, Lin«, übersetzte Prabaker für mich. »So hat er gesagt, Muss man sein Bär lieb haben.«
    Die Verhandlungen mit den Wärtern und übrigen Polizisten wurden deutlich lebhafter, als wir ihnen einen Vorschlag präsentierten, dem sie entsprechen konnten, ohne das Recht bis zum Anschlag zu beugen. Prabaker war in dem theatralischen Geschacher in seinem Element, bettelte und protestierte unter Einsatz aller Kräfte. Schließlich hatte er eine Summe ausgehandelt – zweihundert Rupien, etwa zwölf amerikanische Dollar –, und der schnurrbärtige Wärter schloss den Bärenführern die Gittertür auf, während ich das Bündel Geldscheine übergab. Eine merkwürdige Prozession von Menschen mit unterschiedlichsten Motiven, stapften wir hernach die Stahltreppe hinunter, und der Erdgeschosswärter schloss Kanos Zelle auf. Als er die Stimmen seiner Bärenführer hörte, richtete sich der riesige Bär auf, doch die schweren Ketten zogen ihn vornüber, und er fiel auf alle viere. Er schwang den Kopf hin und her, schlug mit den Tatzen auf den Boden und vollführte einen kleinen Freudentanz. Die Bärenführer stürzten auf ihn zu, um ihn zu begrüßen, und Kano schob die Schnauze unter ihre Achseln und wühlte in ihren langen Dreadlocks. Er schnupperte und schnüffelte und sog begeistert ihren Geruch ein. Die blauen Männer erstickten ihn fast mit ihren Liebkosungen und versuchten, den Druck seiner schweren Ketten etwas zu erleichtern. Wir ließen die drei in ihrer innigen

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