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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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drei-drei-viermal jede Nacht. Die ganze Straße hat darüber geredet.«
    »Ja, stimmt«, erinnerte sich eine andere Nachbarin. »Und solche Schmerzen hat er gehabt! Was hat er für Grimassen gezogen auf dem Klo, yaar. Als würde er ein Baby machen. Und alles war sehr dünn und sehr flüssig. Wie Wasser war es und kam so schnell wie die Kanonenschüsse am Unabhängigkeitstag. Wusch! So kam es raus! Ich habe ihm Chandu-Chai empfohlen, und da ist es wieder härter geworden und eine sehr gute Farbe.«
    »Eine gute Idee«, murmelte Johnny anerkennend. »Komm, bring Linbaba ein bisschen Chandu-Chai für seinen Durchfall!«
    »Nein«, ächzte ich. »Ich habe keinen Durchfall. Und ich habe auch keine Verstopfung. Ich habe bisher überhaupt keine Gelegenheit dazu gehabt. Ich schlafe noch halb, zum Teufel! Ach, was soll’s … So, fertig, Amir. Ich glaube, das ist okay so. Aber du solltest dich noch gegen Tetanus impfen lassen.«
    »Nicht nötig, Linbaba. Ich habe es eine Spritze gekriegt vor drei Monate, nach dem letzten Kampf.«
    Ich säuberte die Wunde noch einmal und stäubte etwas Penicillinpuder darüber. Dann bedeckte ich die sechsundzwanzig Stiche mit einem losen Verband, schärfte Amir ein, dass dieser nicht nass werden dürfe, und wies ihn an, in zwei Tagen zur Kontrolle wiederzukommen. Er versuchte mich zu bezahlen, doch ich nahm das Geld nicht an. Niemand bezahlte für meine Behandlung. Wenn ich ehrlich war, lag der tiefere Grund für meine Ablehnung aber in einem seltsamen, unerklärlichen Ärger – einem Ärger auf Amir, auf Johnny, auf mich selbst –, und so schickte ich ihn barsch fort. Er berührte meine Füße und ging rückwärts hinaus, von Johnny Cigar mit einem letzten Schlag auf den Hinterkopf verabschiedet.
    Ich wollte gerade anfangen, meine Hütte sauber zu machen, als Prabaker hereingestürmt kam, mich am Hemd packte und durch die Tür hinauszuzerren versuchte.
    »Ist das prima viel große Glück, dass du nicht schläfst, Linbaba«, schnaufte er atemlos. »Sparen wir all die Zeit, dich zu wecken. Musst du sofort mitkommen! Schnell, bitte!«
    »Herrgott nochmal, was ist denn jetzt schon wieder?«, knurrte ich. »Lass mich los, Prabu. Ich muss diese Sauerei hier wegputzen.«
    »Keine Zeit für Sauerei, Baba. Kommst du jetzt, bitte. Kein Problem!«
    »Doch Problem!«, widersprach ich. »Ich gehe nirgendwohin, bevor du mir nicht sagst, was das alles soll. Das ist mein letztes Wort, Prabu. Kein Problem.«
    »Musst du unbedingt kommen, Lin«, drängte er und zog an meinem Hemd. »Ist er in Gefängnis dein Freund. Musst du ihn helfen, ja!«
    Wir verließen die Hütte und rannten in der Dunkelheit durch die engen Gassen des schlafenden Slums. Auf der Hauptstraße vor dem President Hotel nahmen wir ein Taxi, das durch die sauberen, stillen Straßen raste, am Parsenviertel, dem Sassoon Dock und dem Colaba Market vorbei. Das Taxi hielt vor der Polizeiwache von Colaba, direkt gegenüber vom Leopold’s. Die breiten stählernen Rolltore waren bis auf den Gehweg heruntergelassen. Alles schien unnatürlich still – die unheimliche Stille einer beliebten Bar außerhalb der Öffnungszeit.
    Prabaker und ich passierten die Pforte der Polizeiwache und betraten das Gebäude. Mein Herz raste, doch ich bemühte mich, ruhig zu wirken. Die Polizisten auf dieser Wache sprachen alle Marathi – was eine Voraussetzung für ihre Anstellung war. Sofern sie keinen Grund hatten, mich zu verdächtigen oder mir auf den Zahn zu fühlen, würden sie von meinen Marathikenntnissen ebenso überrascht wie angetan sein, nahm ich an. Dass ich ihre Sprache sprach, würde sie für mich einnehmen und mich schützen. Dennoch war dies ein Ausflug hinter die feindlichen Linien, und in Gedanken schob ich die schwere, verschlossene Truhe der Angst in den hintersten Winkel des Dachbodens.
    Prabaker sprach leise mit einem havaldar, einem Wachtmeister, der am Fuß einer langen Stahltreppe stand. Der Mann nickte und trat beiseite. Prabaker wiegte den Kopf, und ich folgte ihm die metallenen Stufen hinauf zu einem Treppenabsatz im ersten Stock, von dem eine schwere Tür abging. Hinter dem kleinen Gitter, das in die Tür eingelassen war, erschien ein Gesicht. Zwei große braune Augen spähten nach links und rechts, dann öffnete sich die Tür für uns. Wir traten in einen Vorraum, in dem ein Schreibtisch, ein kleiner Metallstuhl und eine Bambusliege standen. Der Mann, der uns geöffnet hatte, war der Dienst habende Wärter. Er wechselte ein paar Worte

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