Shantaram
Die wuchtigen Hiebe, die mit voller Wucht meine nackte Haut trafen, fühlten sich wie glühendes Metall und Elektroschocks zugleich an. Da die Stöcke an den Enden gespalten waren, erzeugten sie hauchdünne Schnitte auf der Haut, und Blut rann mir übers Gesicht und die ungeschützten Arme.
Ich ging weiter, so langsam und stetig wie möglich. Wenn mich ein Stock ins Gesicht oder aufs Ohr traf, zuckte ich zusammen, aber ich wich nie zurück, ich duckte mich nicht, ich hob nicht die Hände. Um meine Hände unter Kontrolle zu behalten, umklammerte ich die Hosenbeine meiner Jeans. Und weil ich auf diese Art durch die Gasse schritt, verlor der anfänglich hemmungslos gewalttätige Angriff an Heftigkeit, und es hagelte immer weniger Hiebe. Als ich die letzten Männer in der Reihe erreichte, hatten sie die Schläge gänzlich eingestellt. Es war eine Art Sieg, als ich sah, wie diese Männer ihre Stöcke und auch den Blick senkten, als ich an ihnen vorüberging. Der einzige Sieg, der im Gefängnis wirklich zählt, hatte mir ein alter Hase in dem australischen Gefängnis einmal gesagt, ist das Überleben. Überleben bedeutet jedoch mehr, als einfach nur am Leben zu sein. Nicht nur der Körper muss eine Haftstrafe überleben, sondern auch der Geist, der Wille und das Herz. Sind diese beiden gebrochen oder zugrunde gerichtet, wenn man am Ende seiner Strafe lebendig durch das Tor hinausgeht, hat man nicht wirklich überlebt. Und für diese kleinen Siege von Geist, Willen und Herz setzen wir manchmal den Körper aufs Spiel, der sie beherbergt.
Die Aufseher und mehrere Wärter führten mich in der Abenddämmerung durch das Gefängnis zu einem der vielen Schlaftrakte. Es war ein großer Raum mit hoher Decke, fünfundzwanzig Schritt lang und zehn Schritt breit. Durch Gitterfenster hatte man Aussicht auf die unbebauten Flächen rings um das Gebäude. Zugänge waren zwei hohe Stahltore an gegenüberliegenden Wänden. In einem abgeteilten Raum bei einem der Eingänge befanden sich drei saubere Hocktoiletten. Als uns die Wärter für die Nacht einschlossen, hielten sich hundertachtzig Gefangene und zwanzig Gefangenenaufseher in diesem Raum auf.
In einem Viertel des Raums bereiteten sich die Aufseher weiche Lager aus jeweils acht oder zehn sauberen Decken, mit genügend Abstand zum Nebenmann. In den restlichen drei Vierteln des Raums lagen wir Übrigen, dicht gedrängt in zwei Reihen und durch einen etwa vier Schritt breiten Streifen Niemandsland vom Bereich der Aufseher getrennt.
Jeder von uns hatte sich eine ordentlich zusammengelegte Decke von einem Stapel auf unserer Seite des Raums genommen. Die Decken wurden der Länge nach gefaltet und quer zu den langen Wänden auf dem Steinboden dicht nebeneinander platziert. Schulter an Schulter, lagen wir mit dem Kopf zur Wand und mit den Füßen zur Raummitte. Das grelle Licht wurde die ganze Nacht angelassen. Die Aufseher, die Nachtwache hatten, gingen abwechselnd zwischen den Fußreihen auf und ab. Sie trugen eine Trillerpfeife an einer Kette um den Hals, mit der sie die Wärter herbeiriefen, falls es Schwierigkeiten gab, mit denen sie nicht allein fertig wurden. Ich merkte bald, dass sie die Trillerpfeife ungern benutzten und dass es nur sehr wenige Schwierigkeiten gab, die sie nicht unter Kontrolle bekamen.
Die Aufseher gaben mir fünf Minuten, damit ich mir das antrocknende Blut von Gesicht, Hals und Armen waschen und die makellos saubere Hocktoilette benutzen konnte. Als ich wieder in den großen Raum zurückkam, boten sie mir an, dass ich auf ihrer Seite des Raums schlafen könne. Sie gingen zweifellos davon aus, dass meine Hautfarbe auf eine gewisse Finanzkraft schließen ließ. Und vielleicht ließen sie sich auch ein klein wenig davon beeinflussen, dass ich den Spießrutenlauf absolviert hatte, ohne zu rennen. Aber was immer ihre Gründe gewesen sein mochten – ich konnte das Angebot auf keinen Fall annehmen. Immerhin handelte es sich um dieselben Männer, die mich noch wenige Minuten zuvor geschlagen hatten, Männer, die sich in Gefängniswärter verwandelt hatten. Ich lehnte ihr Angebot ab. Was ein gewaltiger Fehler war. Als ich zum anderen Ende des Raums ging, eine Decke vom Stapel nahm und sie neben Mahesh auf den Boden legte, spotteten und lachten sie über mich. Sie waren wütend, weil ich das seltene Angebot, mich zu ihnen zu gesellen, ausgeschlagen hatte. Und sie beschlossen, wie es Feiglinge in einer Machtposition häufig tun, mich zu brechen.
In dieser Nacht weckte
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