Shantaram
Augen aufflammte, konnte der scherzhafte Ton jedoch nicht hinwegtäuschen. »Es geht alles klar. Koi baht nahi! Keine Sorge! Ich bin sehr froh, dass du mir helfen kannst, meinem … was soll ich sagen, dass du meinem Freund helfen kannst, sein kleines Problem zu lösen, yaar.«
Wir schlenderten zum Set zurück, wo Lisa sich gerade mit Mehtas Co-Produzent Cliff de Souza unterhielt.
»Hey, Mann, wir nehmen dich !«, rief Cliff zur Begrüßung, packte mich am Arm und zerrte mich zu einem der Tische in dem nachgebauten Nachtclub hinüber. Ich blickte zu Lisa, doch die hob nur die Hände und zuckte die Achseln, als wollte sie mir sagen: Da musst du alleine durch, Kumpel.
»Was soll denn das, Cliff?«
»Wir brauchen noch einen Mann, yaar. Wir brauchen einen Gora, der zwischen diesen beiden hübschen Mädchen sitzt.«
»Oh nein, aber ganz sicher nicht mich«, protestierte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, ohne ihm dabei wehzutun. In diesem Moment standen die beiden deutschen Frauen auf und zogen mich auf den Stuhl zwischen sich. »Ich kann das nicht machen! Ich bin kein Schauspieler! Ich bin kamerascheu!«
»Jetzt komm schon!«, sagte die eine. »Du hast uns doch gestern noch selbst erzählt, wie einfach das alles ist, oder was ?«
Die beiden waren attraktive Frauen. Ich hatte sie und ihre Freunde ausgewählt, weil sie gesund aussehende, attraktive Männer und Frauen waren. Sie lächelten mich ermunternd an. Ich kalkulierte kurz die Risiken, die ich eingehen würde, wenn ich jetzt ja sagte: Ich war auf der Flucht. Ich war der meistgesuchte Mann Australiens – und da sollte ich eine Rolle in einem Film übernehmen, den dreihundert Millionen Menschen in zehn oder mehr Ländern sehen würden? Das war dumm. Und vor allem gefährlich.
»Ach, was soll’s, warum nicht«, sagte ich achselzuckend.
Cliff und die Bühnenarbeiter traten zurück, damit die Schauspieler ihre Plätze einnehmen konnten. Der Hauptdarsteller, Chunkey Pandey, war ein gut aussehender, athletischer junger Mann aus Bombay. Ich hatte ihn schon in mehreren Filmen gesehen, die ich mir mit meinen indischen Freunden angeschaut hatte, und stellte nun zu meiner Überraschung fest, dass er im wahren Leben noch viel besser aussah und viel charismatischer wirkte als auf der Leinwand. Ein Make-up-Assistent hielt ihm einen Spiegel vor, und Chunkey kämmte konzentriert sein Haar und zupfte es fachmännisch zurecht. Sein Blick war der eines Chirurgen mitten in einer komplizierten und kritischen Operation.
»Du hast das Beste verpasst«, flüsterte mir eines der deutschen Mädchen zu. »Der Typ hat nämlich ewig gebraucht, bis er die Tanznummer für diese Szene hier draufhatte. Er hat sie andauernd verhauen. Und danach ist immer dieser kleine Kerl mit dem Spiegel angerannt gekommen, und wir durften zusehen, wie der Held sich frisch frisiert. Ich sag’s dir – wenn die das ganze Bildmaterial nehmen würden, alle versauten Tanznummern und die Rummacherei mit seinen Haaren vor dem Spiegel mitsamt dem kleinen Spiegelhalter – das würde eine super Komödie!«
Der Regisseur stand jetzt neben seinem Kameramann, schaute in die Kamera und gab den Beleuchtern letzte Anweisungen. Auf ein Zeichen bat der Regieassistent um Ruhe auf dem Set. Der Kameramann signalisierte, dass der Film lief.
»Cue sound!«, befahl der Regisseur. »Und … Action!«
Aus riesigen Stadionlautsprechern dröhnte jetzt Musik. Ich hatte noch nie so laut indische Filmmusik gehört und war begeistert. Die Tänzerinnen, darunter auch die Hauptdarstellerin Kimi Katkar, schwärmten auf die Bühne. Kimi tänzelte graziös zwischen den Statisten hindurch und um die Tische. Dann gesellte sich der Held zu ihr und tanzte mit, bis die Filmpolizisten auftauchten und er sich unter einen Tisch duckte. Die Sequenz dauerte im Film nicht länger als fünf Minuten, doch die Proben nahmen den gesamten Vormittag und der Dreh den größten Teil des Nachmittags in Anspruch. Die Ausbeute meines ersten Einsatzes im Showbusiness waren zwei kurze Einstellungen, in denen ich mit breitem Lächeln zu sehen war, als Kimi in ihrem verführerischen Tanz kurz hinter meinem Stuhl verharrte.
Die Touristen wurden von zwei Taxis nach Hause chauffiert, die wir für sie bestellt hatten. Lisa und ich fuhren auf der Bullet in die Stadt zurück. Es war ein warmer Abend, und sie zog vor der Fahrt die Jacke aus und löste ihr langes Haar. Dann schlang sie die Arme um meinen Oberkörper und presste ihre Wange an meinen
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