Shantaram
Nachtclubs. Der Held stiehlt einen Diamanten – ich glaube, von einem reichen Politiker oder so – und stürmt hier rein, um ihn zu verstecken. Er sieht das Mädchen, Kimi, das gerade eine große Tanznummer aufführt, und verliebt sich in sie. Als die Bullen auftauchen, versteckt er den Diamanten in ihrer Perücke. Der Rest des Films handelt davon, wie er versucht, an sie ranzukommen, um sich seinen Diamanten wiederzuholen.«
Sie hielt inne, musterte mein Gesicht und versuchte in meinen Augen zu lesen.
»Es ist … Du findest das wahrscheinlich ziemlich idiotisch.«
»Nein, gar nicht«, erwiderte ich lachend. »Im Gegenteil. Mir gefällt das – alles. Im echten Leben würde der Kerl sie einfach verprügeln und sich seinen Diamanten nehmen. Vielleicht würde er sie sogar erschießen. Ehrlich, mir gefällt die Bollywood-Version um Klassen besser.«
»Mir auch.« Sie grinste. »Ich finde sie klasse. Die haben das alles aus bemalter Leinwand und Spanplatten zurechtgezimmert und es ist … Irgendwie ist es, als würden sie hier Träume erschaffen … Ich weiß, das klingt kitschig, aber ich meine es ernst, Lin. Ich mag diese Welt so sehr, dass ich am liebsten gar nicht mehr in die andere zurück will.«
»Hey, Lin!«, rief jetzt jemand hinter mir. Es war Chandra Mehta, einer der Produzenten. »Hast du mal einen Augenblick Zeit?«
Ich ließ Lisa bei den deutschen Touristen zurück und stellte mich zu Mehta unter ein Metallgerüst, auf das eine komplizierte Anordnung starker Scheinwerfer montiert war. Die Baseballkappe, die Chandra Mehta mit dem Schirm nach hinten trug, war so eng, dass sein rundes Gesicht darunter noch fülliger wirkte. Er hatte eine verwaschene geknöpfte Levis und ein langes Kurta-Hemd an, das über seinen ausladenden Bauch hing. Es war schwül im Studio, und er schwitzte heftig.
»Hey, Mann. Wie geht’s? Ich wollte schon länger mal mit dir reden, yaar«, raunte er verschwörerisch. »Lass uns einen Moment an die frische Luft gehen. Hier drin schwitze ich mir den Arsch ab.«
Während wir zwischen den metallgedeckten Gebäuden umherschlenderten, begegneten wir einigen kostümierten Schauspielern mit Assistenten im Schlepptau, die Requisiten und Filmausrüstung trugen. Als neun hübsche Tänzerinnen in exotischen, federbesetzten Kostümen an uns vorbeispazierten, starrte ich ihnen gebannt nach und ging dann ein paar Schritte rückwärts, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Chandra Mehta würdigte sie keines Blickes.
»Hör zu, Lin, worüber ich mit dir reden wollte …«, sagte er und berührte im Gehen meinen Ellenbogen, »also, ich habe da so einen Freund, einen Geschäftsmann, der ziemlich oft in den USA zu tun hat. Achaa, was soll ich sagen … Er hat ein kleines Geldwechselproblem. Und ich hatte gehofft, dass du vielleicht … Na ja, jedenfalls hat mir ein kleines Vögelchen geflüstert, dass man sich an dich wenden kann, wenn man da nicht weiterkommt, yaar.«
»Ich nehme an, bei diesem Umwechselproblem geht es um US-Dollars?«
»Ja«, erwiderte er lächelnd. »Ich bin froh, dass du das Problem erfasst hast.«
»Und wie würde dein Freund sein Problem in Zahlen fassen?«
»Oh, ich nehme mal an, zehntausend Dollar würden ihm schon sehr helfen.«
Ich nannte ihm Khaled Ansaris aktuellen Wechselkurs für US-Dollars, und weil er sich mit den Bedingungen einverstanden erklärte, verabredete ich mich für den nächsten Tag am Set mit ihm. Er sollte die Rupien – ein wesentlich dickeres Bündel Geldscheine, als es der Gegenwert in amerikanischen Dollars sein würde – in einem Rucksack mitbringen, den ich auf dem Motorrad transportieren konnte. Wir besiegelten das Geschäft mit einem Handschlag. Und damit er keine Sekunde vergaß, mit wem er da über mich als Mittelsmann Geschäfte machte, Lord Abdel Khader Khan nämlich – dessen Name allerdings weder Mehta noch ich jemals aussprechen würden –, drückte ich etwas fester zu. Ich fügte ihm keine richtigen Schmerzen zu, sondern beschränkte mich sozusagen auf eine Andeutung, die ihre Wirkung jedoch nicht verfehlte: Sie bekräftigte den harten Blick, mit dem ich Mehta ansah, während ich freundlich lächelte.
»Wenn du vorhast, Mist zu bauen, Chandra, dann lass lieber die Finger davon«, warnte ich ihn. Und mein Händedruck sprach dasselbe. »Niemand lässt sich gern verarschen, und am allerwenigsten meine Freunde.«
»Aber nein, baba, weshalb sollte ich?«, sagte er betont munter. Über die Besorgnis, die unvermittelt in seinen
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