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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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andere machten sich darüber lustig, aber keiner fürchtete sich vor mir. Dennoch gab mein Strafmaß – neunzehn Jahre Zwangsarbeit wegen bewaffneter Raubüberfälle – den Meisten zu denken. Sie konnten mich nicht einschätzen, und die Meisten waren neugierig, wie ich auf eine echte Prüfung reagieren würde.
    Als sie mich dann ereilte, bekam ich es mit einer glitzernden Klinge, abgesplitterten Zähnen und wildem Augenrollen zu tun. Er überfiel mich aus dem Hinterhalt in der Gefängniswäscherei, dem einzigen Ort, der nicht unter ständiger Kontrolle durch die Wärter stand, die auf den Stegen zwischen den Wachtürmen patrouillierten. Bewaffnet war er mit einem gewöhnlichen Speisemesser, das er mit bösartiger Ausdauer auf dem Steinboden seiner Zelle geschliffen hatte. Die Klinge war scharf genug, um einen Mann zu rasieren oder ihm die Kehle durchzuschneiden. Vor meiner Gefängniszeit hatte ich nie ein Messer zu einem Kampf benutzt und auch nie eines bei mir getragen. Doch im Knast, wo ständig Männer mit Messern attackiert und abgestochen wurden, hörte ich auf den Rat der harten Typen, die dort jahrelang überlebt hatten. Es ist besser, eine Waffe bei sich zu haben und sie nicht zu brauchen, sagten sie mir , als eine zu brauchen und keine zu haben. In diesem Fall war meine Waffe ein geschärftes Metallstück, fingerdick und etwas länger als eine Hand. Das Heft war mit Klebeband umwickelt und lag gut in der Hand. Als der Typ mich überfiel, wusste er nicht, dass ich bewaffnet war, aber wir gingen wohl beide davon aus, dass es sich um einen Kampf um Leben und Tod handelte. Er wollte mich umbringen, und ich war mir sicher, dass ich ihn umbringen müsste, wenn ich überleben wollte.
    Der Typ machte zwei Fehler. Der erste bestand darin, dass er einen Schritt zurück trat. Er hatte mich aus dem Hinterhalt angefallen und mir mit dem Messer Schnitte an Brust und Unterarm zugefügt. Er hätte weiter auf mich einstechen müssen, doch stattdessen trat er einen Schritt zurück und ließ sein Messer vor mir kreisen. Vermutlich erwartete er, dass ich aufgeben würde – die Meisten verhielten sich so, weil sie sich vor dem Typ fürchteten und den Anblick ihres eigenen Blutes nicht ertragen konnten. Er war sich wohl so sicher, die Oberhand zu behalten, dass er die Spannung auskosten wollte. Jedenfalls verlor er auf diese Art seinen Vorteil und den Kampf. Denn er ließ mir Zeit, mein Messer aus dem Hemd zu ziehen und in Stellung zu gehen. Sein überraschter Blick war mein Startzeichen.
    Sein zweiter Fehler bestand darin, dass er sein Messer wie ein Schwert hielt. So hält man ein Messer aber nur, wenn man glaubt, dass es – wie eine Schusswaffe – die Arbeit für einen erledigt. Aber bei einer Messerstecherei erledigt nicht das Messer den Kampf, sondern der Mann. Das Messer ist nur ein Hilfsmittel, und man muss es wie einen Dolch halten, mit der Klinge nach unten, damit die geballte Faust gleichzeitig noch zuschlagen kann. Mit diesem Griff besitzt man genug Kraft für einen Fausthieb und eine zusätzliche Waffe.
    Der Typ ging halb in die Hocke und schwenkte das Messer mit ausgestreckten Armen hin und her. Er war Rechtshänder. Ich nahm die Boxstellung eines Linkshänders ein, mit dem linken Bein als Standbein und dem Messer in der rechten Hand. Er stach zweimal mit dem Messer in meine Richtung und hechtete dann vor. Ich trat beiseite und holte zu einer Schlagkombination aus: rechts, links, rechts. Einer der Schläge traf. Die Nase des Typen brach, und Tränen schossen ihm in die Augen, sodass er nicht mehr klar sehen konnte. Er machte wieder einen Ausfallschritt nach vorne und versuchte mir das Messer in die Seite zu rammen, aber ich packte mit der Linken sein Handgelenk, trat zwischen seine gespreizten Beine und rammte ihm das Messer in die Brust. Ich hatte das Herz oder die Lunge treffen wollen. Das gelang mir zwar nicht, aber immerhin durchdrang die Klinge seine Schulter und durchbohrte die Haut am Rücken.
    Er taumelte zwischen einer Waschmaschine und einem Trockner an die Wand. Ich hatte weder das Messer noch sein Handgelenk losgelassen und versuchte ihn jetzt in Gesicht und Nacken zu beißen, aber er riss den Kopf so heftig hin und her, dass ich mich stattdessen auf Kopfstöße verlegte. Unsere Köpfe knallten mehrmals zusammen, bis es ihm gelang, mich mit den Beinen aus dem Gleichgewicht zu bringen und wir beide zu Boden gingen. Beim Sturz ließ er sein Messer fallen, und mein Messer löste sich aus seiner Brust.

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