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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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aber nachdrücklich. »Russen … wissen alles … wissen jeden Mann … Geld bezahlt, damit wissen alles.«
    »Russische Spione?«, fragte ich. »In Karachi?«
    »Überall Pakistan«, sagte er, nickte und wandte den Kopf, um auszuspucken. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er das aus Verachtung tat oder weil es ihm Glück bringen sollte. »Zu viel Gefahr! Mit niemand sprechen! Du gehst … Faludah House … Bohri-Basar … heute … saade char baje.«
    »Halb fünf«, wiederholte ich. »Du willst, dass ich um halb fünf im Faludah House im Bohri-Basar jemanden treffe? Hab ich das richtig verstanden? Wen soll ich da treffen?«
    Er lächelte grimmig, öffnete die Tür, blickte rasch den Flur entlang und huschte dann so rasch und geräuschlos hinaus, wie er hereingekommen war. Ich schaute auf meine Uhr. Es war erst eins. Noch drei Stunden. Abdul Ghani hatte mir für den Ausweisschmuggel einen Geldgürtel gegeben, den er selbst entworfen hatte. Er bestand aus wasserfestem Vinyl, wurde direkt am Bauch getragen und war erheblich breiter als gewöhnliche Geldgürtel, sodass bis zu zehn Pässe und reichlich Bargeld darin Platz fanden. An diesem ersten Tag in Karachi enthielt der Gürtel auch vier meiner eigenen Pässe: den britischen Pass, mit dem ich die Flug- und Bahntickets erworben und mich im Hotel angemeldet hatte, und den amerikanischen Pass, den ich für die Mission in Afghanistan einsetzen sollte. Ferner einen kanadischen und einen Schweizer Pass als Ersatz für den Notfall sowie zehntausend Dollar, die ich als Vorauszahlung auf meinen Lohn erhalten hatte, weil ich mich auf das riskante Unternehmen einließ. Ich schnallte mir den dicken Gürtel um, zog mein Hemd herunter, steckte mein Schnappmesser in die Scheide im Hosenbund und verließ das Hotel, um die Stadt zu erkunden.
    Es war heiß, heißer als gewöhnlich im milden Monat November, und nach einem leichten für die Jahreszeit unüblichen Regen hing dicke dampfende Luft in den Straßen. Karachi war damals eine unruhige und gefährliche Stadt. Die Militärjunta, die in Pakistan durch einen Putsch die Macht übernommen und den demokratisch gewählten Premierminister Zulfikar Ali Bhutto ermordet hatte, regierte das Land seit mehreren Jahren durch Spaltung. Traditionelle ethnische und religiöse Konflikte wurden ausgenutzt, indem man die jeweiligen Gruppen durch inszenierte Gewalttaten gegeneinander aufbrachte. Die Ureinwohner des Landes – Sindis, Paschtunen und Punjabis – und die Einwanderer, die sogenannten »Mohajirs«, die nach der Trennung von Indien in den neu gegründeten Staat Pakistan gekommen waren, wurden gegeneinander ausgespielt. Die Armee unterstützte verdeckt Extremisten der rivalisierenden Gruppen mit Waffen, Geld und Privilegien. Als die von der Regierung geschürten Konflikte schließlich in gewalttätigen Auseinandersetzungen eskalierten, gaben die Generäle der Polizei Schießbefehl. Widerstand gegen die Polizeigewalt wiederum wurde dann mittels des Militärs unterdrückt. Auf diese Weise konnte das Militär, das mit seinen Geheimoperationen die blutigen Konflikte überhaupt erst geschaffen hatte, sich als einzige Macht zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung gerieren.
    Massaker und Rachemorde von zunehmender Brutalität waren ebenso an der Tagesordnung wie Entführungen und Folter. Fanatiker der einen Gruppe entführten Angehörige der verfeindeten Gruppierung und folterten sie auf sadistische Weise. Viele der Entführten starben in ihrer grausamen Gefangenschaft, einige verschwanden spurlos. Und sobald die eine oder andere Gruppe zu stark wurde und so das tödliche Spiel gefährdete, sorgten die Generäle dafür, dass innerhalb der Gruppe Konflikte ausbrachen und sie schwächten. Die Fanatiker begannen daraufhin, sich selbst zu vernichten, indem sie Konkurrenten aus den eigenen ethnischen Gruppen folterten und töteten.
    Und dieser Kreislauf aus Gewalt und Rache sorgte natürlich dafür, dass, ungeachtet der jeweiligen Regierungsform, lediglich das Militär stärker wurde und nur die Armee wirkliche Macht im Land hatte.
    Trotz – und wegen – dieser dramatischen Spannungen war Karachi ein Ort, an dem sich gut Geschäfte machen ließen. Die Generäle, die sich wie Gangster ohne Mut, Stil und den Ehrenkodex echter Mafiosi aufführten, hatten im Grunde das gesamte Land als Geisel genommen und die Beute eingesackt. Den großen Mächten und anderen Waffen produzierenden Nationen hatten sie unverzüglich mitgeteilt, dass Geschäfte mit Pakistans

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