Shantaram
Armee jederzeit willkommen seien. Die zivilisierten Staaten zeigten sich begeistert, und so war Karachi seit Jahren ein gefundenes Fressen für Waffenhändler aus Amerika, Großbritannien, China, Schweden, Italien und anderen Ländern. Nicht weniger begierig auf Kontakt mit den Generälen waren die illegalen Geschäftemacher – Schwarzmarkthändler, Waffenschieber, Freibeuter und Söldner. Sie alle tummelten sich in den Cafés und Hotels: Ausländer aus fünfzig Ländern, mit Verbrechen im Sinn und Abenteuer im Herzen.
In gewisser Weise war ich auch einer von denen, die vom Chaos und dem Krieg in Afghanistan profitierten, aber ich fühlte mich nicht wohl in Gesellschaft dieser Typen. Drei Stunden lang pilgerte ich von Restaurants zu Hotelbars und Chai-Shops, sprach mit Fremden, die hier auf die schnelle Art zu Geld kommen wollten, oder hörte ihnen zu. Ihre Unterhaltungen waren ernüchternd und berechnend. Man könne durchaus davon ausgehen, dass der Krieg in Afghanistan noch einige Jahre andauern würde, vermuteten einige frohgemut. Die Generäle gerieten zwar zusehends unter Druck, und man munkelte sogar, dass Benazir Bhutto, die Tochter des ermordeten Premierministers, aus ihrem Exil in London zurückkehren würde, um die demokratische Allianz anzuführen, die das Regime bekämpfte. Doch mit etwas Glück und Geschick, so hofften die Kriegsgewinnler, würde die Armee das Land noch einige Jahre in Schach halten können, sodass sich an den etablierten illegalen Strukturen nichts ändern würde.
Die Rede war von cash crops, einem Euphemismus für Schmuggel- und Schwarzmarktgüter, die an der gesamten Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan sehr gefragt waren. Für Zigaretten, vor allem amerikanische Marken, konnte man am Khyber-Pass das Sechzehnfache ihres bereits in Karachi überhöhten Preises kassieren. Medikamente aller Art erbrachten von Monat zu Monat höhere Profite. Winterkleidung für Schneegebiete war besonders einträglich. Ein gewiefter deutscher Freibeuter hatte einen Mercedes-Laster voller Winteruniformen mitsamt Thermounterwäsche von München nach Peshawar chauffiert. Den Wagen mit Inhalt verkaufte er zum fünffachen Einkaufswert an einen afghanischen Warlord, der von westlichen Regierungen und Geheimdiensten, darunter der CIA, unterstützt wurde. Die Mudjahedin-Kämpfer in den schneebedeckten Bergen von Afghanistan jedoch bekamen die schwere Winterkleidung, die Tausende von Kilometer durch Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, den Iran und Pakistan gereist war, niemals zu Gesicht. Stattdessen bunkerte der Warlord die Uniformen samt Unterwäsche in einem seiner Lagerhäuser in Peshawar. Der Renegat und seine kleine Armee warteten das Kriegsende in ihrer Festung in Pakistan ab. Wenn der eigentliche Krieg gegen die Russen zu Ende war, plante er mit seinen eigenen Truppen einen Putsch, um an die Macht zu kommen.
Die Nachricht von einem Warlord, der von der CIA mit Geldern versorgt wurde und bereit war, für einschlägige Güter jeden Preis zu bezahlen, sorgte bei den ausländischen Gewinnlern für aufgeregte Spekulationen. Im Laufe dieses Nachmittags hörte ich die Nachricht von dem geschäftstüchtigen Deutschen und seinem Laster voll Winteruniformen in drei leicht voneinander abweichenden Varianten. Die Händler erzählten sich die Geschichte in Goldrauschstimmung, während sie Konservendosen, Schaffelle, Container mit Ersatzteilen, ein Lagerhaus voller gebrauchter Gaskocher und jegliche Waffenart vom Bajonett bis zum Granatenwerfer verhökerten. Und in jedem Gespräch hörte ich die düstere verzweifelte Beschwörungsformel: Wenn der Krieg noch ein Jahr andauert, dann sind wir gemachte Leute …
Deprimiert und innerlich aufgewühlt betrat ich das Faludah House im Bohri-Basar und bestellte mir einen der süßen grellfarbigen Drinks. Faludah ist ein unanständig süßes Getränk aus weißen Nudeln, Milch, Rosenaroma und diversen Arten von honigsüßem Sirup. Das Firni House im Dongri-Viertel in Bombay, unweit von Khaderbhais Haus, war zurecht berühmt für seine köstlichen Faludahs, doch die waren geradezu fade im Vergleich zu den fantastischen Kreationen, die man im Faludah House in Karachi gereicht bekam. Als neben meiner rechten Hand ein großes Glas mit rosafarbener, roter und weißer Milch erschien, blickte ich auf, um dem Kellner zu danken, und erblickte Khaled Ansari, der zwei Gläser in der Hand hielt.
»Du siehst aus, als bräuchtest du was Stärkeres als
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