Shantaram
das hier, Mann«, sagte er mit seinem kleinen traurigen Lächeln, als er sich zu mir setzte. »Was ist los? Du siehst trübsinnig aus.«
»Ach, nichts«, seufzte ich und erwiderte sein Lächeln.
»Na, komm schon, raus mit der Sprache«, insistierte er.
Ich blickte in sein ehrliches, offenes, narbiges Gesicht und dachte, dass Khaled mich besser kannte als ich ihn. Ich fragte mich, ob ich es wohl bemerkt hätte, dass ihm etwas zu schaffen machte, wenn er in meinem gegenwärtigen Zustand ins Faludah House gekommen wäre. Vermutlich nicht. Khaled wirkte oft so schwermütig, dass mir wohl nichts Besonderes aufgefallen wäre.
»Na ja, ich bin wohl ein bisschen ins Grübeln gekommen. Ich war unterwegs in den Chaikhannas und Restaurants, von denen du mir erzählt hattest – wo die Schwarzmarkthändler und Schieber abhängen, und das hat mich ziemlich runtergezogen. Hier gibt es ziemlich viele Leute, die sich wünschen, dass der Krieg nie ein Ende nimmt. Die scheren sich einen Scheiß drum, wer wen umbringt und wer umgebracht wird.«
»Die verdienen ihr Geld hier«, erwiderte Khaled mit einem Achselzucken. »Es ist nicht ihr Krieg. Ich erwarte von denen keine Gefühle. So ist es nun mal.«
»Ich weiß, ich weiß. Es geht mir auch nicht um das Geldthema«, sagte ich, nach den richtigen Worten suchend. »Es ist mehr – wenn man nach einer Definition für krank im Kopf sucht, könnte man schon auf jemanden kommen, der sich wünscht, dass ein Krieg noch länger andauert.«
»Und … du fühlst dich … irgendwie schmutzig … denen ähnlich?«, fragte Khaled behutsam und blickte in sein Glas.
»Mag sein. Ich weiß nicht. Weißt du, es würde mich nicht weiter kümmern, wenn ich Leute irgendwo anders so reden hören würde. Das würde mich nicht kratzen, wenn ich jetzt nicht zufällig hier wäre und dasselbe tun würde.«
»Du tust nicht genau dasselbe.«
»Doch, eigentlich schon. Khader bezahlt mich, also verdiene ich am Krieg, genau wie die. Und ich schmuggle neuen Scheiß in einen Scheißkrieg, auch genau wie die.«
»Und du fragst dich vielleicht auch grade, was zum Teufel du hier zu suchen hast?«
»Das auch, ja. Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich keinen blassen Schimmer habe? Ganz ehrlich, ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, weshalb ich mich auf diese Sache eingelassen habe. Khader hat mich gebeten, sein Amerikaner zu sein, und jetzt mache ich es eben. Aber warum ich das tue, weiß ich nicht.«
Wir versanken eine Weile in Schweigen, tranken unsere Faludahs und lauschten dem lebhaften Gerede und den Geräuschen im Lokal. Aus einem großen tragbaren Radio hörte man romantische Ghazals auf Urdu. Neben uns unterhielten sich andere Gäste in drei oder vier Sprachen. Ich verstand nichts und konnte die Sprachen auch nicht identifizieren. Es mochte Belutschi, Usbekisch, Tadschikisch oder Farsi sein.
»Das schmeckt großartig!«, äußerte Khaled und schob sich mit dem langen Löffel Nudeln in den Mund.
»Zu süß für meinen Geschmack«, sagte ich, führte mir das Getränk aber dennoch zu Gemüte.
»Manche Dinge müssen zu süß sein«, erwiderte er mit einem Augenzwinkern und saugte an seinem Strohhalm. »Wenn Faludahs nicht zu süß wären, würden wir sie nicht trinken.«
Als wir ausgetrunken hatten, erhoben wir uns und blieben in der Tür stehen, um uns Zigaretten anzuzünden, bevor wir ins Licht des späten Nachmittags hinaustraten.
»Wir trennen uns jetzt«, murmelte Khaled, als er ein Streichholz entzündete und mir Feuer gab. »Geh hier weiter Richtung Süden. Ich hol dich in ein paar Minuten ein. Nicht verabschieden.«
Er wandte sich ab und mischte sich unter die Menschen auf der Straße, die zwischen dem Fußweg und den Autos unterwegs waren, um schneller vorwärts zu kommen.
Ich ging in die Gegenrichtung. Ein paar Minuten später, am Rande des Basars, hielt plötzlich ein Taxi neben mir. Die hintere Tür öffnete sich. Ich sah Khaled auf dem Rücksitz und stieg rasch ein. Neben dem Fahrer saß ein fremder Mann Anfang dreißig mit kurz geschnittenen dunkelbraunen Haaren und einer hohen breiten Stirn. Seine tiefliegenden Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten, wenn nicht gerade ein Sonnenstrahl die dunkelbraunen Erdfarben in seiner Iris zum Leuchten brachte. Die schwarzen Augenbrauen über den gelassenen klugen Augen waren fast zusammengewachsen. Die Nase des Mannes war schmal und gerade, der Mund mit der kurzen Oberlippe wirkte fest und entschlossen. Er hatte ein
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