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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Khader Khan zu übernehmen, fürchtete ich mich, und ich wusste, dass mein Leben, hier und jetzt, nicht mehr wert war als eine Handvoll Sand in meiner geballten Faust.
    Einen Straßenzug von der Masjid-i-Tuba-Moschee entfernt stiegen wir aus und gingen einzeln zu dem Gebäude. Am Eingang zogen wir unsere Schuhe aus, und ein sehr alter hajji nahm sich ihrer an, sein meditatives zikkir vor sich hin murmelnd. Khaled drückte dem Mann einen gefalteten Geldschein in die schwielige gichtige Hand. Als wir die Moschee betraten, blickte ich nach oben. Und mir stockte der Atem, so überwältigt war ich von ihrer Schönheit.
    Das Innere der Moschee war kühl, und die Marmor- und Steinplatten in den gerillten Säulen, die mit Mosaiken besetzten Bögen und gemusterten Böden glänzten vor Sauberkeit. Doch was das Auge vor allem in Bann zog, war die riesige weiße Kuppel, die an die hundert Schritte maß und über und über mit winzigen Spiegeln besetzt war. Als ich staunend zu ihr aufblickte, wurde das elektrische Licht eingeschaltet, und das gewaltige Gewölbe glitzerte wie Sonnenstrahlen auf den Millionen kleiner Wellenkämme eines vom Wind gezausten Sees.
    Khaled verkündete, er werde so bald wie möglich zurückkommen, und trennte sich von uns. Ahmed, Mahmud und ich gingen zu einer Nische, von der aus man den gesamten Raum überblicken konnte, und ließen uns auf dem Steinboden nieder. Seit dem Abendgebet war schon einige Zeit vergangen – ich hatte den Ruf des Muezzins noch im Taxi gehört –, aber überall saßen noch Männer, die in ihr Gebet vertieft waren. Als Ahmed sicher war, dass ich einen guten Platz gefunden hatte, sagte er mir, dass er die Gelegenheit zum Gebet nutzen wolle, entschuldigte sich und ging zum Waschbrunnen. Nachdem er Gesicht, Hände und Füße dem Ritual entsprechend gesäubert hatte, suchte er sich einen freien Platz und begann sein Gebet.
    Ich sah ihm zu und empfand einen Anflug von Neid angesichts der Leichtigkeit, mit der er sein Zwiegespräch mit Gott aufnahm. Ich verspürte nicht den Wunsch, es ihm gleichzutun, aber die Klarheit seines Glaubens gab mir das Gefühl, sehr einsam zu sein mit meinem losgelösten, ungebundenen Geist.
    Als Ahmed sein Gebet beendet hatte und sich wieder zu uns gesellte, fand sich auch Khaled wieder ein. Er sah besorgt aus. Wir setzten uns so
    dicht zusammen, dass unsere Köpfe sich beinahe berührten.
    »Es gibt Probleme«, flüsterte er. »Die Polizei war in unserem Hotel.«
    »Normale Polizei?«
    »Die politische Polizei«, raunte Khaled. »Der pakistanische Geheimdienst, ISI.«
    »Was wollten die?«
    »Dich. Uns alle. Wir sind aufgeflogen. Sie waren auch in Khaders Haus. Ihr habt beide Glück gehabt. Er war auch nicht da, sie haben ihn nicht erwischt. Was hast du von deinen Sachen bei dir, und was hast du im Hotel gelassen?«
    »Ich habe meine Pässe, mein Geld und mein Messer«, antwortete ich.
    Ahmed grinste mich an.
    »Du gefällst mir, weißt du«, flüsterte er.
    »Die anderen Sachen sind noch dort«, sagte ich. »Das ist aber nicht viel. Kleider, Toilettensachen, ein paar Bücher. Das ist alles. Bis auf die Tickets allerdings. Die sind das einzige mit Namen. Die stecken in meiner Reisetasche.«
    »Nasir hat sich deine Tasche geschnappt und ist damit zur Tür raus, eine Minute bevor die Polizei reinstürmte«, erwiderte Khaled und nickte mir beruhigend zu. »Aber mehr konnte er nicht mitnehmen. Der Hotelmanager ist einer von unseren Leuten, und er hat Nasir Bescheid gesagt. Die große Frage ist jetzt allerdings: Wer hat die Polizei informiert? Es muss jemand von Khaders Seite sein. Aus dem engsten Kreis. Gefällt mir gar nicht.«
    »Ich verstehe das nicht«, flüsterte ich. »Was wollen die denn von uns? Pakistan unterstützt Afghanistan. Sie müssten doch ein Interesse daran haben, dass wir den Mudjahedin Nachschub liefern. Die sollten uns doch eher helfen.«
    »Sie helfen einigen Afghanen, aber nicht allen. Die Männer, zu denen wir unterwegs sind, die bei Kandahar, gehören zu Massud. Pakistan hasst sie, weil sie weder Hekmatyar noch irgendeinen anderen propakistanischen Anführer der Rebellen akzeptieren. Pakistan und die Amerikaner haben Hekmatyar als nächsten Regierungschef für Afghanistan ausersehen, nach dem Krieg. Aber Massuds Männer spucken jedes Mal aus, wenn sie seinen Namen nur hören.«
    »Es ist verrückter Krieg«, fügte Mahmud heiser flüsternd hinzu. »Afghanen, kämpfen sie gegeneinander schon so lange, tausend Jahre. Das Einzige, was

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