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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Karla.
    Ich zerriss den Brief und steckte die Fetzen in meine Tasche. Auf einmal wurde ich ganz ruhig. Jegliche Angst war verschwunden. Am Ende dieses langen Tages in Karachi wusste ich, warum ich in Khaders Krieg zog, und ich wusste, weshalb ich zurückkehren würde. Ich ging mit Khaderbhai, weil mein Herz nach seiner Liebe hungerte, nach der väterlichen Liebe in seinen Augen, die jene leere Stelle in meinem Herzen zu füllen vermochte. Nachdem ich so viel Liebe verloren hatte – meine Familie, meine Freunde, Prabaker, Abdullah, sogar Karla –, bedeutete mir der liebende Blick aus Khaders Augen alles und die ganze Welt.
    Es schien dumm, es war dumm, aus Liebe in einen Krieg zu ziehen. Khader war kein Heiliger, und er war kein Held – das wusste ich. Er war nicht einmal mein Vater. Doch ich wusste, dass ich ihm für die kurzen Momente seines liebenden Blicks in diesen Krieg und in jeden anderen folgen würde. Und das war auch nicht dümmer, als für den Hass zu überleben und für die Rache zurückzukehren. Denn darauf lief es hinaus: Ich liebte Khader so sehr, dass ich bereit war, mein Leben für ihn aufs Spiel zu setzen, und ich hasste Madame Zhou so sehr, dass ich überleben und Rache nehmen wollte. Und wenn ich Khaders Krieg überlebte, würde ich meine Rache bekommen, dessen war ich mir sicher: Ich würde Madame Zhou finden, und ich würde sie töten.
    Mein Geist schloss sich um diesen Gedanken wie die Hand eines Mannes um den Knauf seines Messers. Die Stimmen der Blinden Sänger kündeten voller Inbrunst von den Freuden und Qualen ihrer Liebe zu Gott. Um mich her schwangen sich die Herzen zum Himmel auf. Khaderbhai wandte sich mir zu und nickte langsam. Ich lächelte in die goldfarbenen Augen, in denen ich im Wind schwankende Lämpchen und Mysterien und heilige Ekstasen sah, die der Gesang ihm bescherte. Und, so wahr mir Gott helfe, ich war zufrieden und furchtlos und beinahe glücklich.

Z WEIUNDDREISSIGSTES K APITEL
     

    E inen frustrierenden Monat lang saßen wir in Quetta fest. Die Verzögerung wurde verursacht von einem Mudjahedin-Kommandeur namens Asmatullah Achakzai Muslim. Er war der Anführer des Achakzai-Stammes in der Region um Kandahar, wo uns die Mission hinführen sollte. Die Achakzai, Schaf- und Ziegenhirten, hatten ursprünglich dem herrschenden Durrani-Stamm angehört. Im Jahre 1750 trennte der Begründer des modernen Afghanistan, Ahmed Shah Abdali, die Achakzai von den Durrani und ernannte sie offiziell zum selbstständigen Stamm. Dies geschah in Übereinstimmung mit der afghanischen Tradition, derzufolge ein Sub-Stamm sich von seinem Herkunftsstamm ablösen konnte, wenn er groß genug geworden war. Es war auch ein schlauer Zug des gewieften Kriegers und Staatsgründers Ahmed Shah, weil er wusste, dass die Achakzai einen Machtfaktor darstellten und befriedet werden mussten. Über zwei Jahrhunderte baute der Stamm dann seine Machtstellung aus. Die Achakzai galten als wilde und tapfere Kämpfer, die ihrem Anführer stets bereitwillig gehorchten. In den ersten Jahren des Krieges gegen die Russen formierte Asmatullah Achakzai Muslim seine Männer zu einer bestens gerüsteten hoch disziplinierten Miliz, die in der Region um Kandahar zur Speerspitze des Freiheitskrieges wurde: des Jihad, mit dem die sowjetischen Aggressoren vertrieben werden sollten.
    Gegen Ende des Jahres 1985, als wir uns in Quetta auf unseren Einsatz in Afghanistan vorbereiteten, wurde Asmatullah wankelmütig, zog seine Männer zurück und begann heimliche Friedensverhandlungen mit den Russen und ihrer afghanischen Marionettenregierung in Kabul. Doch da seine Miliz von entscheidender Wichtigkeit für den Kriegsverlauf war, war der Widerstand in der Region von Kandahar daraufhin nachhaltig geschwächt. Andere Mudjahedin-Einheiten, die nicht von Asmatullah befehligt wurden, wie Khaders Männer in den Bergen nördlich der Stadt, blieben zwar in ihren Stellungen, doch sie waren isoliert, und ihre Nachschubrouten konnten jederzeit von den Russen angegriffen werden. Die Unsicherheit, die durch diese Lage entstand, zwang uns dazu, abzuwarten, ob Asmatullah den Jihad fortführen oder die Seite wechseln und die Russen unterstützen würde, was niemand vorhersehen konnte.
    Wir waren alle nervös und ruhelos – als aus Tagen Wochen wurden, schien die Wartezeit unendlich –, doch ich wusste sie für mich zu nutzen. Ich lernte einige Sätze auf Farsi, Urdu und Paschto und sogar ein paar Worte in tadschikischen und usbekischen

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