Shantaram
auch gemacht.«
»Richtig. Und bereits in der ersten Woche verdiente ich damit viel Geld. Ich sah mich schon mit einer schönen Wohnung, guten Kleidern und vielleicht sogar einem Auto. Dann, eines Abends, als ich mit meinen Eintrittskarten vor dem Kino stand, kamen zwei sehr große Männer auf mich zu, zeigten mir ihre Waffen – ein Schwert und ein Schlachterbeil – und forderten mich auf, mitzukommen.«
Ich lachte. »Goondas.«
»Goondas«, bestätigte er und lachte mit mir. Wer ihn als Lord Abdel Khader Khan, den Don, den Herrscher über sein Reich des Verbrechens in Bombay kannte, fand es unweigerlich komisch, sich vorzustellen, wie er als betretener Achtzehnjähriger von zwei gewöhnlichen Straßenganoven abgeschleppt wurde.
»Sie brachten mich zu Chota Gulab, der Kleinen Rose. Diesen Namen hatte der Mann bekommen, weil eine Kugel durch seine Wange gedrungen, den größten Teil seiner Zähne zerschmettert und eine rosenförmige Narbe hinterlassen hatte. Er war damals der Boss dieses Viertels, und bevor er mich als Exempel für andere zu Tode prügeln ließ, wollte er noch einen Blick auf den unverschämten Kerl werfen, der es wagte, in sein Revier einzudringen.
Er war außer sich vor Wut. ›Was verkaufst du Karten in meinem Revier?‹, fragte er in einer Mischung aus Hindi und Englisch. Es war recht kümmerlich, sein Englisch, doch er wollte mich damit einschüchtern, als sei er ein Richter. ›Weißt du, wie viele Männer gestorben sind, wie viele Männer ich umbringen musste, wie viele gute Männer ich verloren habe, um das Geschäft mit den Schwarzmarktkarten in diesem Viertel in die Hand zu bekommen?‹
Ich fürchtete mich schrecklich, ich gebe es zu, und dachte, ich hätte nur noch wenige Minuten zu leben. Deshalb ließ ich alle Vorsicht außer Acht und sprach ganz ungehemmt. ›Und nun werden Sie noch einen weiteren lästigen Gesellen beiseiteschaffen müssen, Gulabji«, sagte ich in meinem Englisch, das viel besser klang als das seinige, ›denn ich weiß nicht, wie ich sonst Geld verdienen kann. Ich habe keine Familie und nichts zu verlieren. Es sei denn, Sie könnten mir eine anständige Arbeit anbieten, die ein verlässlicher und fleißiger junger Mann für Sie erledigen kann.‹
Nun, er lachte laut und fragte mich, woher ich so gut Englisch sprechen könnte, und als ich ihm meine Geschichte erzählte, gab er mir sofort einen Auftrag. Dann öffnete er den Mund und zeigte mir seine kaputten Zähne, die durch Goldzähne ersetzt worden waren. Es war eine große Ehre, wenn man in Chota Gulabs Mund blicken durfte, und einige seiner vertrautesten Goondas waren neidisch und eifersüchtig, weil ich bei meinem ersten Treffen mit dem Boss in den berühmten Mund schauen durfte. Gulab mochte mich, und er wurde eine Art Vater für mich, aber vom ersten Händedruck an war ich von Feinden umgeben.
Zuerst arbeitete ich auf der untersten Ebene, als Soldat, und sorgte mit Fäusten, Schwertern, Hackbeil und Hammer dafür, dass Chota Gulabs Position im Viertel unangetastet blieb. Das war eine böse Zeit, noch vor dem Klansystem, jede Nacht gab es Kämpfe. Ein Mann hatte es nach einer Weile besonders auf mich abgesehen. Er war neidisch auf meine Beziehung zu Gulabji und fand einen Anlass, um sich mit mir anzulegen. Ich brachte ihn um. Als dessen bester Freund mich attackierte, tötete ich auch ihn. Dann tötete ich einen Mann im Auftrag von Chota Gulab. Und ich tötete wieder. Und wieder.«
Er verstummte und betrachtete den Boden und die Zimmerwand aus Lehmziegeln. Nach einer Weile sprach er weiter.
»Und wieder«, sagte er.
Die Stille um uns herum wurde lastend und schien auf meine brennenden Augen zu drücken.
»Und wieder.«
Ich sah ihm dabei zu, wie er durch die Vergangenheit stapfte, wie die Erinnerungen in seinen Augen aufblitzten; dann zwang er sich dazu, in die Gegenwart zurückzukehren.
»Es ist spät. Hier, ich habe ein Geschenk für dich.«
Er klappte das Ledertuch auf, in dem eine Pistole in einem Hüftholster, mehrere Magazine, eine Schachtel Munition und ein kleiner Metallkasten lagen. Khader öffnete den Metallkasten, der ein Fläschchen Waffenöl, Graphitpulver, kleine Feilen, Bürsten und eine neue kurze Reinigungskette enthielt.
»Das ist eine Stechlin APS«, sagte er, nahm die Pistole in die Hand und zog das Magazin heraus. Er überprüfte, ob sie ungeladen war, und reichte sie mir. »Eine russische Waffe. Du wirst bei toten Russen jede Menge Munition finden, wenn du gegen sie kämpfen
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