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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Hunderte von Einsätzen in dieser Gegend überlebt, er wird es schaffen, uns zu unseren Männern in Kandahar zu bringen. Und es gibt keinen treueren und zuverlässigeren Führer, denn kein Mann in Afghanistan hasst die Russen mehr als Habib Abdur Rahman. Aber …«
    »Er ist vollkommen geistesgestört«, vollendete Ahmed Zadeh den Satz mit einem beredten gallischen Achselzucken, und ich merkte plötzlich, dass ich Ahmed mochte und dass mein Freund Didier mir sehr fehlte. Diese brutal ehrliche pragmatische Aussage hätte auch von Didier stammen können.
    »Ja«, bestätigte Khader. »Er ist geistesgestört. Die Trauer hat sein Hirn zerstört. Wir brauchen ihn, doch wir dürfen ihn keinen Moment aus den Augen lassen. Jede Mudjahedin-Einheit von hier bis Herat hat ihn ausgeschlossen. Wir kämpfen gegen die afghanische Armee, die auf Seiten der Russen steht, aber es handelt sich um Afghanen. Unsere wichtigsten Informationen erhalten wir von Soldaten der afghanischen Armee, die wollen, dass wir die russischen Unterdrücker besiegen. Habib kann diesen feinen Unterschied nicht verstehen. Er hat nur eine Auffassung von diesem Krieg: alle schnell töten oder alle langsam töten. Und er zieht es vor, sie langsam zu töten. Er trägt eine so brutale Grausamkeit in sich, dass seine Freunde sich ebenso vor ihm fürchten wie seine Feinde. Deshalb muss er unablässig beobachtet werden, wenn er bei uns ist.«
    »Ich übernehme das«, verkündete Khaled Ansari entschieden. Wir alle sahen unseren palästinensischen Freund an. Auf seiner Miene zeichneten sich Trauer, Zorn und Entschlossenheit ab. Seine Gesichtshaut wirkte straff gespannt, und er presste energisch die Lippen zusammen.
    »Gut …«, begann Khader, und er schien noch mehr sagen zu wollen, doch nach diesem Ausdruck der Zustimmung löste sich Khaled aus unserer Gruppe und schritt auf den verloren am Boden hockenden Habib Abdur Rahman zu.
    Als ich ihm nachsah, packte mich plötzlich der heftige Wunsch, ihm nachzurufen, ihn aufzuhalten. Ein idiotischer Impuls, der aus der Angst entstand, ihn zu verlieren, einen weiteren Freund zu verlieren. Und ich kam mir so albern und lächerlich eifersüchtig vor, dass ich dem Impuls nicht nachgab. Dann sah ich, wie Khaled sich Habib gegenüber auf dem Boden niederließ. Ich sah zu, wie er die Hand ausstreckte, das Kinn des furchterregenden mörderischen Verrückten berührte und behutsam anhob, damit er ihm in die Augen sah. Und ohne zu verstehen, warum, wusste ich, dass Khaled für uns verloren war.
    Ich musste meinen Blick so mühsam wegzerren von den beiden, als kämpfe ich gegen eine starke Strömung. Mein Mund war trocken, mein Herz ein Gefangener, der an die Wände meines Kopfes trommelte. Meine Beine fühlten sich bleiern an, mit Wurzeln der Scham und der Furcht im Boden verankert. Und als ich zu den gewaltigen kahlen Bergen aufblickte, erbebte die Zukunft in mir, so wie ein Donnerschlag die Äste und die müden Ranken einer sturmumtosten Weide erbeben lässt.

D REIUNDDREISSIGSTES K APITEL
     

    I n jenen Jahren führte die Hauptachse von Chaman über einen Nebenfluss des Dhari weiter nach Spin Buldak, Dabrai und MelKarez bis nach Kandahar. Es waren nur knapp zweihundert Kilometer, und mit dem Auto brauchte man ein paar Stunden. Wir waren natürlich nicht auf der Hauptachse unterwegs, und wir hatten keine Autos. Wir ritten auf Pferden über Hunderte von Bergpässen und brauchten für diese Strecke über einen Monat.
    Den ersten Tag verbrachten wir unter den Bäumen. Das Gepäck – die Güter, die wir nach Afghanistan schmuggeln wollten, und unsere eigenen Sachen – war auf einer Grasfläche in der Nähe verteilt, mit Schaf- und Ziegenfellen bedeckt, damit es aus der Luft wie eine Viehherde wirkte. An den Fellbündeln waren sogar einige lebende Ziegen festgemacht. Als die Dämmerung sich schließlich über die Abendsonne legte, machte sich unterdrückte Aufregung im Lager bemerkbar. Bald hörten wir gedämpftes Hufgetrappel, und unsere Pferde erschienen. Es gab zwanzig Reitpferde und fünfzehn Lasttiere. Die Pferde waren ein wenig kleiner als die Tiere, auf denen ich das Reiten erlernt hatte, und ich gab mich der Hoffnung hin, dass sie vielleicht leichter zu beherrschen sein würden. Die meisten der Männer gingen ohne Umschweife zu der kleinen Herde, um das Gepäck auf den Lasttieren festzuzurren, und ich wollte es ihnen gleichtun, aber Nasir und Ahmed Zadeh näherten sich mir mit zwei Pferden.
    »Das hier ist meins«,

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