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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Und in meine eigene Angst, die mich durchfuhr wie ein Messerstich. Dann wurde der Fall gebremst von den Zügeln, die ich fest umklammerte.
    Ich baumelte über einem Abgrund und hörte das Knarren der Zügel, die sich unter meinem Gewicht dehnten. Oben riefen die Männer Namen ihrer Freunde und versuchten die Pferde zu beruhigen, die verängstigt wieherten und schnaubten. Es roch durchdringend nach Urin, Pferdekot und Angstschweiß. Ich hörte das scharrende Trappeln der Hufe meines Pferdes, das sich gegen mein Gewicht stemmte, und mir wurde schlagartig bewusst, dass es trotz seiner Kraft jeden Augenblick auf dem unebenen schmalen Pfad den Halt verlieren konnte.
    Ich packte mit der linken Hand die Zügel und zog mich mühsam nach oben. Als ich den Rand des Pfads zu fassen bekam, glitt ich erneut aus und unterdrückte einen Schrei, als ich wieder abstürzte. Die Zügel hielten auch diesmal, aber ich baumelte wieder über dem Abgrund und hörte, wie meine Stute wild den Kopf schüttelte, um das Zaumzeug loszuwerden. Sie spürte instinktiv, dass es ihre einzige Chance war, nicht in den Abgrund gerissen zu werden. Mit zusammengebissenen Zähnen stieß ich ein wütendes Grollen aus und zog mich unter Aufbietung aller Kräfte wieder nach oben.
    Es gelang mir wirklich, mich auf den Weg zu hangeln, wo ich einen Moment auf den Knien verharrte, keuchend vor Erschöpfung. Und dann, von der Intuition geleitet, die sich in bedrohlichen Lagen verstärkt, sprang ich auf und duckte mich nach rechts, just im richtigen Moment, um den Hufen des Pferdes vor mir auszuweichen, das auszuschlagen begann. Hätte ich das nicht gespürt, wäre ich von den Hufen am Kopf getroffen worden, und mein Kriegseinsatz wäre vorzeitig beendet gewesen. So erwischten sie mich nur an der Hüfte und am Schenkel und schleuderten mich gegen mein eigenes Pferd, dessen Hals ich sofort umschlang, um mich zu stützen, denn mein Bein war gefühllos geworden. Ich umklammerte immer noch den Hals der Stute, was tröstlich war, auch um den Schmerz in der Hüfte zu betäuben, als sich jemand vorsichtig näherte und meinen Rücken berührte.
    »Lin, bist du das?«, hörte ich Khaleds Stimme.
    »Khaled! Ja, ich bin’s! Alles in Ordnung mit dir?«
    »Klar. Düsenjäger! Verfluchte Scheiße! Gleich zwei von den Drecksteilen – und ganz dicht über uns, bestenfalls dreißig Meter. So eine Scheiße! Die haben die Schallmauer durchbrochen! Unglaublicher Krach!«
    »Waren es Russen?«
    »Glaube ich nicht. Nicht so nah an der Grenze. Eher Pakistanis, amerikanische Jets mit Paki-Piloten, die die Russen ein bisschen auf Trab halten wollten, indem sie die Grenze überqueren. Sie werden sich nicht weit vorwagen. Die russischen MiG-Flieger sind zu gut. Aber die Pakis erinnern sie von Zeit zu Zeit ganz gerne daran, dass sie auch noch da sind. Und du bist wirklich okay?«
    »Ja, klar«, log ich. »Noch besser geht’s mir, wenn wir erst aus dieser Scheißdunkelheit raus sind. Nenn mich Weichei, aber ich seh ganz gerne, wo ich hintrete, wenn ich ein Pferd außen an einem Hochhaus entlangführen soll.«
    »Kann ich verstehen«, sagte Khaled. Mit seinem kleinen, schwermütigen Lachen, aber in dieser Lage wirkte es ungemein tröstlich auf mich. »Wer war hinter dir?«
    »Ahmed«, antwortete ich. »Ahmed Zadeh. Ich habe ihn auf Französisch fluchen hören. Ich glaube, er ist auch okay. Hinter ihm war Nasir. Und Mahmud, der Iraner, war auch in der Nähe. Alles in allem zehn Mann, glaube ich, mit den beiden, die auf die Ziegen aufpassen.«
    »Ich werd mal nachsehen«, sagte Khaled und klopfte mir beruhigend auf die Schulter. »Geh du weiter. Taste dich an der Wand entlang. Es sind nur noch etwa hundert Meter. Wenn du aus der Schlucht kommst, kannst du wieder was sehen im Mondlicht.«
    Und für ein paar Momente, als ich diese bleiche Oase des Mondlichts erreichte, fühlte ich mich ruhig und sicher. Dann zogen wir weiter durch die Schlucht, schürften am kalten rauen Stein entlang, tauchten wieder in die absolute Dunkelheit, angetrieben nur von unserem Glauben, unserer Angst und unserem Lebenswillen.
    Wir waren so oft im Dunkeln unterwegs, dass es mir manchmal vorkam, als würden wir uns den Weg nach Kandahar ertasten wie Blinde. Und blindlings vertrauten wir auch unserem Führer, Habib. Keiner der Afghanen aus unserer Gruppe stammte aus dem Grenzland; wir alle waren vollkommen abhängig von Habibs Wissen um die verborgenen Pässe und passierbaren Felspfade.
    Doch wenn Habib nicht als unser

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