Shantaram
verkündete Ahmed. »Und das hier ist deins.«
Nasir reichte mir die Zügel und überprüfte den Sitz des kurzen dünnen afghanischen Sattels. Als er alles zu seiner Zufriedenheit vorfand, nickte er zustimmend.
»Pferd gut«, sagte er mit grollender Stimme, doch sichtlich wohlgemut.
»Alle Pferd gut«, zitierte ich ihn. »Alle Mensch nicht gut.«
»Das ist ein wunderbares Pferd«, bestätigte Ahmed und betrachtete das Tier bewundernd. Es war eine braune Stute mit breiter Brust und starken, stämmigen, relativ kurzen Beinen. Ihre Augen wirkten wach und furchtlos. »Nasir hat sie für dich ausgesucht. Er hat sofort Anspruch auf sie erhoben, und jetzt gibt es da drüben ein paar enttäuschte Männer. Er hat ein gutes Auge.«
»Meiner Zählung nach sind wir dreißig Mann, aber wir haben keine dreißig Reitpferde«, bemerkte ich und klopfte der Stute auf den Hals, um den ersten Kontakt herzustellen.
»Ja, einige reiten, einige laufen«, antwortete Ahmed. Er stellte den linken Fuß in den Steigbügel und schwang sich mühelos auf sein Pferd. »Wir wechseln uns ab. Wir haben auch Ziegen dabei, zehn Ziegen, die von einigen Männern gehütet werden. Und wir werden unterwegs Männer verlieren. Die Pferde sind eigentlich ein Geschenk für Khaders Klan bei Kandahar. Kamele wären für diese Tour viel besser geeignet. Meiner Meinung nach wären Esel am besten für die schmalen Bergpässe. Aber Pferde haben großes Ansehen. Ich denke, Khader wollte Pferde mitnehmen, weil der erste Eindruck wichtig ist, wenn wir den wilden Klans begegnen – den Männern, die uns töten und uns die Waffen und Medikamente rauben wollen. Mit den Pferden wirken wir eindrucksvoll auf sie. Und die Pferde sind auch ein wertvolles Geschenk für Khader Khans Stamm. Auf dem Rückweg von Kandahar will er sie verschenken. Einen Teil der Strecke nach Kandahar werden wir reiten, aber auf dem Rückweg werden wir zu Fuß gehen!«
»Sagtest du, wir werden Männer verlieren ?«, fragte ich und blickte ihn stirnrunzelnd an.
»Ja!«, antwortete er lachend. »Einige Männer werden uns unterwegs verlassen und in ihre Dörfer zurückkehren. Doch, ja, es mag auch sein, dass einige sterben. Aber wir werden leben, du und ich, Inshallah. Wir haben gute Pferde. Das ist ein guter Anfang!«
Er wendete elegant sein Pferd und lenkte es zu der Gruppe von Männern, die bereits aufgesessen waren und sich um Khaderbhai ringten. Ich warf Nasir einen Blick zu. Er nickte, um mir zu bedeuten, dass ich aufsteigen solle, verzog dabei das Gesicht zu einer Art aufmunternder Grimasse und murmelte ein Gebet vor sich hin. Wir erwarteten beide, dass die Stute mich abwerfen würde, und Nasir kniff schon vorab gequält die Augen zusammen. Ich stellte den linken Fuß in den Steigbügel und schwang mich hoch. Ich landete härter im Sattel als beabsichtigt, aber das Pferd reagierte gelassen und senkte zweimal den Kopf, erpicht darauf, sich in Bewegung zu setzen. Nasir öffnete vorsichtig ein Auge und erblickte mich hoch zu Ross. Vor Freude und Stolz lief er rot an und schenkte mir eines seiner seltenen Lächeln. Ich zog an den Zügeln, um den Kopf des Pferdes zu drehen, und trieb es an. Das Pferd bewegte sich ruhig, aber elegant, beinahe tänzerisch, verfiel in einen graziösen leichten Galopp und brachte mich zu Khaderbhais Gruppe.
Nasir rannte uns nach, links hinter mir. Ich wandte mich nach ihm um, und wir starrten uns mit großen Augen an. Ich machte wahrhaftig eine gute Figur auf diesem Pferd. Alles wird gut, flüsterte ich mir zu, und als die Worte durch den dichten Nebel eitler Hoffnung in meinem Kopf drangen, kam es mir vor, als hätte ich die Geheimformel entdeckt. Die Redensart Hochmut kommt vor dem Fall stammt aus den Sprüchen Salomos. Sollte Salomo das tatsächlich gesagt haben, so war er ein Mann, der sich gut mit Pferden auskannte; viel besser jedenfalls als ich, der ich zu Khader ritt und das Pferd zügelte, als wisse ich genau, was ich da tat, hoch oben im Sattel.
Khader gab den Männern auf Paschto, Urdu und Farsi letzte Anweisungen. Ich beugte mich zu Ahmed Zadeh hinüber und flüsterte: »Wo ist der Pass? Ich kann ihn im Dunkeln nicht erkennen.«
»Welcher Pass?«, flüsterte er zurück.
»Der Pass durch die Berge.«
»Du meinst den Chaman-Pass?«, fragte er verdutzt. »Dort drüben, dreißig Kilometer hinter uns.«
»Nein, ich meine, wie kommen wir durch diese Berge nach Afghanistan?«, fragte ich und wies mit dem Kopf auf die spitzen kahlen Felswände, die sich
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