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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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locker, dass ich ihn hätte ablösen können. Nur sein blutverkrustetes Haar hielt seinen Schädel noch beisammen. Am Schädelrand im Nacken hatte er eine dicke Schwellung. Der Mann war bewusstlos, und ich bezweifelte, dass er die Augen noch einmal öffnen würde.
    Ich schaute wieder zum Himmel auf. Bald würde der letzte Rest Tageslicht verschwunden sein, mir blieb nicht viel Zeit. Ich musste eine Auswahl treffen, musste mich entscheiden, das Leben eines Mannes zu unterstützen und andere dafür sterben zu lassen. Ich war kein Arzt und hatte keinerlei Kriegserfahrung. Diese Arbeit war mir offenbar zugefallen, weil ich mich ein wenig besser auskannte als die anderen und mich bereit erklärt hatte. Es war kalt, und ich fror. Ich kniete in einer klebrigen Blutlache und spürte, wie das Blut durch meine Hose drang. Ich blickte auf, und Khader nickte mir zu, als könne er meine Gedanken lesen. Von Angst und Schuldgefühlen geplagt, legte ich eine Decke über Siddiqi, um ihn warm zu halten, und wandte mich dem Mann mit dem gebrochenen Arm zu.
    Khaled klappte den Verbandskasten neben mir auf. Ich warf eine Plastikflasche mit Penicillinpuder, Desinfektionslösung, Mullbinden und Scheren neben dem Mann mit den Schusswunden auf den Boden und erteilte Ahmed Zadeh knappe Anweisungen, wie er die Wunden säubern und verbinden sollte. Dann sah ich mir den gebrochenen Arm genauer an. Der Mann redete inständig auf mich ein. Sein Gesicht war mir vertraut. Er konnte besonders gut mit den widerspenstigen Ziegen umgehen, und ich hatte es oft erlebt, dass die eigenwilligen Tiere ihm freiwillig folgten, wenn er im Lager umherging.
    »Was hat er gesagt? Ich verstehe ihn nicht.«
    »Er fragt dich, ob es wehtun wird«, murmelte Khaled mit möglichst neutraler Miene.
    »Ich hatte auch mal so einen Bruch«, antwortete ich. »Ganz ähnlich. Ich weiß genau, wie weh das tut. Es tut so schlimm weh, Bruder, dass ich meine, du solltest ihm die Waffe wegnehmen.«
    »Verstehe«, sagte Khaled. »Scheiße.«
    Er lächelte breit, hockte sich neben den Mann auf den Boden und löste behutsam die Kalaschnikow aus seiner Hand, während er auf ihn einredete. Dann, als die Dunkelheit sich allmählich auf uns senkte und fünf Freunde des Mannes ihn festhielten, zog und drehte ich an dem gebrochenen Arm, bis er wenigstens äußerlich dem gesunden Körperteil ähnelte, das er nie wieder sein würde.
    »EeAllah! EeAllah!«, schrie der Mann immer wieder zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Als der Bruch geschient und verbunden war und wir uns um die Schusswunden gekümmert hatten, versah ich Siddiqis Kopf rasch mit einem Verband. Dann machten wir uns an den Aufstieg zum Pass. Unsere Lasten wurden auf alle verbliebenen Pferde verteilt. Der Mann mit den Schusswunden wurde auf ein Pferd gesetzt und von seinen Freunden gestützt. Siddiqi und die Leiche von Madjid, dem Afghanen, schnallten wir auf die Lasttiere. Alle anderen gingen zu Fuß.
    Der Aufstieg war kurz, aber steil. Keuchend und zitternd vor Kälte zog und schob ich die störrischen Pferde mit den anderen den Berg hinauf. Die afghanischen Kämpfer klagten oder murrten kein einziges Mal. Als der Abhang an einer Stelle so steil war wie noch nie zuvor, musste ich stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Zwei Männer vor mir sahen, dass ich nicht weiter kam, und schlitterten zu mir herunter. Mit aufmunterndem Lächeln und Klapsen auf die Schulter halfen sie mir, das Pferd den Abhang hochzuziehen, und sprinteten dann weiter, um anderen behilflich zu sein.
    »Mit diesen Afghanen kann man vielleicht nicht gut leben«, ächzte Ahmed Zadeh hinter mir, »aber man kann gut mit ihnen sterben!«
    Nach fünf Stunden erreichten wir unser Ziel, ein Lager unter einem großen Felsvorsprung in den Share Safa-Bergen, das aus der Luft unsichtbar war. Unter dem Fels hatte man ein Höhlensystem angelegt, und einige getarnte Bunker umgaben die Höhle in einem Ring, der bis zum Rand des flachen zerklüfteten Plateaus reichte.
    Im Licht des aufgehenden Vollmonds hielt Khader die Kolonne an. Habib, der Späher, hatte uns im Lager angekündigt; die Mudjahedin warteten gespannt auf uns und unsere Vorräte. Ich befand mich in der Mitte des Zuges, und als man mir sagte, Khader wolle mich sprechen, lief ich nach vorne zu ihm.
    »Wir reiten auf diesem Pfad hier ins Lager«, verkündete Khader. »Khaled, Ahmed, Nasir, Mahmud und einige andere. Wir wissen nicht genau, wer sich dort aufhält. Aus dem Angriff auf uns am Shahbad-Pass

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