Shantaram
schließe ich, dass Asmatullah Achakzai wieder umgeschwenkt ist und sich auf die Seite der Russen geschlagen hat. Er hatte diesen Pass drei Jahre lang unter Kontrolle, und wir hätten dort eigentlich sicher sein müssen. Habib sagt, die Männer im Lager seien unsere eigenen Leute und würden uns erwarten. Aber sie bleiben in Deckung und werden nicht herauskommen, um uns zu begrüßen. Ich halte es für besser, wenn unser Amerikaner mit uns reitet, und zwar gleich hinter mir. Ich kann dir das allerdings nicht befehlen, sondern dich nur bitten, Lin. Kommst du mit uns?«
»Ja«, antwortete ich und hoffte, dass meine Stimme sich für die anderen kraftvoller anhörte als für mich selbst.
»Gut. Nasir und die anderen haben die Pferde schon bereitgestellt. Wir reiten sofort los.«
Nasir führte mehrere Pferde herbei. Müde und erschöpft stiegen wir auf. Khader musste noch wesentlich ermatteter sein als wir und mit mehr Schmerzen und Unbilden zu kämpfen haben, doch er saß kerzengerade im Sattel und hielt die grünweiße Standarte hoch. Ich wollte es ihm gleichtun, setzte mich aufrecht hin und trieb das Pferd schwungvoll an. Im hellen silbrigen Mondlicht, das lange Schatten an die grauen Felswände warf, setzte sich unsere kleine Kolonne in Bewegung.
Ein schmaler Felspfad führte in einem weiten Bogen von rechts nach links auf das Lager zu. Linker Hand befand sich eine etwa dreißig Meter tiefe Schlucht, rechter Hand eine Felswand. Als wir, aufmerksam beobachtet von unseren eigenen Leuten und den Mudjahedin im Lager, etwa die Hälfte des Weges hinter uns gebracht hatten, bekam ich plötzlich einen Krampf in der rechten Hüfte, der sich rasch zu einem stechenden Schmerz auswuchs. Ich bemühte mich, ihn nicht zu beachten, doch er wurde zusehends unerträglich. Um die Hüfte zu lockern, versuchte ich das rechte Bein auszustrecken, verlagerte mein Gewicht auf den linken Fuß und erhob mich ein bisschen. Dabei rutschte jedoch mein Fuß aus dem linken Steigbügel, und ich rutschte vom Pferd, auf den gähnenden Abgrund zu.
Instinktiv umklammerte ich mit beiden Armen und Beinen den Hals des Pferdes. Im Handumdrehen war es mir gelungen, vom Pferd zu fallen und nun hinterrücks an seinem Hals zu hängen. Ich gab dem Pferd Befehle zum Anhalten, die es jedoch stoisch ignorierte. Der Pfad wiederum war so schmal und der Abgrund so tief, dass ich hinunterstürzen würde, wenn ich meine Umklammerung löste. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als in dieser Position am Hals des Pferdes auszuharren, während sein Kopf in aller Ruhe neben mir auf und ab wippte.
Zuerst hörte ich das Gelächter meiner eigenen Männer. Es handelte sich um dieses hilflose ächzende, würgende Gelächter, nach dem einem tagelang die Rippen schmerzen. Es war die Art von Gelächter, an der man zu ersticken glaubt, wenn man nicht sofort Luft holen kann. Dann hörte ich das Lachen der Mudjahedin-Kämpfer aus dem Lager. Als ich den Kopf nach hinten bog, sah ich Khader, der sich umgedreht hatte und ebenso von Gelächter geschüttelt wurde wie die anderen. Und dann musste ich selbst lachen und das Pferd noch fester umklammern, weil das Lachen meine Arme schwächte. Krächzend und atemlos brachte ich noch den Ausruf Halt! Halt! Band karo! hervor, worauf es endgültig um die Fassung sämtlicher Männer geschehen war.
Und so hielt ich Einzug ins Lager der Mudjahedin. Ich war sofort von Männern umringt, die mich aus meiner misslichen Lage befreiten und mir auf die Beine halfen. Meine eigenen Leute trafen nach und nach ein und schlugen mir auf die Schulter, worauf die Mudjahedin den lockeren Umgang übernahmen und mir auch auf den Rücken und die Schulter klopften. Alles in allem dauerte es eine gute Viertelstunde, bis ich mich hinsetzen und meine überanstrengten Beine ausruhen konnte.
»Dich zu diesem Ritt aufzufordern war nicht Khaders beste Idee«, äußerte Khaled Ansari, rutschte einen Felsen herunter und ließ sich neben mir nieder. »Aber, Scheiße, Mann, nach dieser Nummer bist du echt beliebt hier. Das war bestimmt die komischste Szene, die diese Burschen ihr Lebtag zu sehen gekriegt haben.«
»Herr im Himmel!«, seufzte ich und gluckste. »Ich reite einen Monat lang über hundert Berge und überquere zehn Flüsse, meistens auch noch im Dunkeln, und alles geht gut. Aber dann tauche ich im Lager auf, indem ich wie ein Scheißaffe am Hals von meinem Pferd hänge.«
»Nicht schon wieder!«, prustete Khaled und krümmte sich vor Lachen.
Ich stimmte
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