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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Messer in den Hals des Pferdes, mit einer leichten, beinahe eleganten Drehung des Handgelenks. Die Stute erbebte, doch sie wurde ruhiger. Als Habib das Messer herauszog, sprudelte das Blut im Rhythmus des Herzschlags über ihre Brust und tränkte die Erde. Nach und nach entspannte sich der mahlende Unterkiefer, die Augen wurden trüb, und das große Herz kam zum Stillstand.
    Ich blickte von den sanften, toten, furchtlosen Augen des Pferdes in Habibs Augen, in denen der Wahnsinn tobte, und dieser Moment war so aufgeladen mit Gefühlen, so grotesk fern von allen Welten, die ich kannte, dass meine Hand unwillkürlich zu meinem Holster glitt. Habib grinste mich an, ein zähnebleckendes Paviangrinsen, das ich nicht deuten konnte, und huschte weiter zum nächsten verletzten Pferd.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Was?«
    »Ich sagte, alles in Ordnung mit dir?«, wiederholte Khaled, packte mich und schüttelte mich so lange, bis ich ihn ansah.
    »Ja. Sicher.« Ich blickte in sein Gesicht und fragte mich, wie lange ich die tote Stute angestarrt und ihren durchbohrten Hals berührt hatte. Ich schaute zum Himmel auf. Die Nacht nahte, war nur Minuten entfernt. »Wie schlimm … wie schlimm war es?«
    »Wir haben einen Mann verloren. Madjid. Hier aus der Gegend.«
    »Ich hab es gesehen. Er war direkt vor mir. Die Kugeln haben ihn aufgeschlitzt wie eine Dose. Scheiße, Mann, das ging so schnell. Im einen Moment lebte er noch, und dann platzte auf einmal sein Rücken auf, und er fiel vornüber wie eine Marionette, der man die Fäden durchschneidet. Ich bin sicher, dass er tot war, bevor seine Knie den Boden berührten. So schnell ging das!«
    »Bist du sicher, dass alles okay ist mit dir?«, fragte Khaled, als ich zu reden aufhörte, um Luft zu holen.
    »Scheiße, natürlich ist alles okay!«, fauchte ich ihn an. Sein durchdringender Blick erboste mich so, dass ich ihn beinahe angeschrien hätte, doch dann bemerkte ich die Sorge und Wärme in seiner Miene und lachte. Erleichtert stimmte er in mein Lachen ein. »Natürlich bin ich okay. Und es ginge mir noch besser, wenn du aufhören würdest zu fragen. Ich bin nur … ein bisschen … redselig, das ist alles. Gib mir einen Moment Zeit. Mann, auf der einen Seite wird ein Mann umgebracht, auf der anderen mein Pferd. Ich weiß nicht mal, ob ich Glück oder Pech gehabt habe.«
    »Glück«, antwortete Khaled rasch. Sein Tonfall war ernster als sein Blick. »Es ist übel, hätte aber noch schlimmer kommen können.«
    »Schlimmer?«
    »Sie haben keine schweren Waffen eingesetzt – Granatwerfer oder schwere Maschinengewehre. Wenn sie welche gehabt hätten, wären sie benutzt worden, und dann wären wir jetzt viel schlimmer dran. Das heißt, es war eine kleine Einheit, vermutlich keine Russen, sondern Afghanen, die einfach mal probiert haben, was passiert. Jedenfalls haben wir drei Verwundete und vier tote Pferde.«
    »Wo sind die Verwundeten?«
    »Weiter oben, am Pass. Könntest du sie dir mal ansehen?«
    »Ja, klar. Hilf mir mal mit dem Zaumzeug.«
    Wir lösten Sattel und Zaumzeug von meinem toten Pferd und wanderten an der Kolonne vorbei zu dem schmalen Pass. Die verletzten Männer lagen im Schutz eines Felsvorsprungs. Khader stand neben ihnen und starrte mit gerunzelter Stirn über die Ebene. Ahmed Zadeh befreite einen der Verwundeten mit behutsamen, aber schnellen Bewegungen von seiner Kleidung. Ich blickte zum Himmel auf, der sich rasch verdunkelte.
    Einer der Männer hatte einen gebrochenen Arm, weil sein Pferd auf ihn gestürzt war, als es getroffen wurde. Der Bruch war einer der schlimmen Sorte, eine komplizierte Fraktur des Unterarms, am Handgelenk. Ein Knochen stand in einem unnatürlichen Winkel ab, hatte die Haut aber nicht durchbohrt. Er musste geschient werden. Als Ahmed Zadeh dem nächsten Mann das Hemd auszog, sahen wir, dass er zwei Schusswunden hatte. Beide Kugeln saßen noch im Körper, und zwar so tief, dass man sie ohne größere Operation nicht entfernen konnte. Eine war in den Oberkörper eingedrungen und hatte das Schlüsselbein zertrümmert, die andere hatte eine breite und zweifellos tödliche Bauchwunde verursacht. Der dritte Mann, ein Bauer namens Siddiqi, hatte eine schwere, stark blutende Kopfwunde. Sein Pferd hatte ihn auf die Felsen geschleudert. Er hatte eindeutig eine Schädelfraktur, und als ich die Brüche abtastete, spürte ich, dass sein Schädel in drei Teile gespalten war. Einer saß so

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