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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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kalter Nebel zwischen den Bergen, weiß, reglos und für das Auge so undurchdringlich wie Milchglas. Der Boden war entweder matschig oder gefroren, und sogar die Wände der Höhlen schienen zu klirren vor Kälte.
    Ein Teil unserer Schmuggelware bestand aus Werkzeugen und Maschinenteilen. Nach unserer Ankunft hatten wir zwei Werkstätten eingerichtet, in denen in jenen Winterwochen immer gearbeitet wurde. Wir hatten eine kleine Revolverdrehbank auf einem selbst gezimmerten Tisch festgeschraubt. Die Drehbank wurde mit einem Dieselmotor angetrieben. Die Kämpfer waren zwar sicher, dass sich keinerlei feindliche Kräfte in Hörweite befanden, aber wir dämpften den Motorenlärm dennoch durch Säcke, in die wir Schlitze für Luftzufuhr und Abgase geschnitten hatten. Mit demselben Motor wurden ein Schleifrad und ein Speedbohrer angetrieben.
    Mit diesem Werkzeug reparierten die Kämpfer ihre Waffen oder bauten sie so um, dass sie für andere Zwecke eingesetzt werden konnten. Vorrangig waren für sie Granatwerfer. Die nach Hubschraubern und Panzern effektivste Kriegswaffe der Russen in Afghanistan war der 82-mm-Granatwerfer. Die Mudjahedin kauften, stahlen oder erbeuteten die Granatwerfer im Zweikampf, häufig um den Preis von Menschenleben, und setzten sie dann gegen die Russen ein, die diese Waffen ins Land gebracht hatten, um es zu erobern. In unseren Werkstätten wurden die Granatwerfer zerlegt, überholt und zum Transport in teilweise entlegene Kampfgebiete wie Zaranj im Westen und Kunduz im Osten in Wachstuchtaschen verpackt.
    Außer Patronenzangen und Quetschzangen, Munition und Sprengstoff, hatte Khader den Kämpfern auch neue auf den Waffenbasaren von Peshawar erstandene Teile für die Kalaschnikows gebracht. Das russische AK – Avtomat Kalaschnikowa – war in den Vierzigerjahren von Michail Kalaschnikow als Reaktion auf deutsche Waffeninnovationen entwickelt worden. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs widersetzten sich deutsche Generäle den ausdrücklichen Anordnungen Adolf Hitlers und stellten ein automatisches Sturmgewehr her. Der Waffenkonstrukteur Hugo Schmeisser entwickelte anhand von früheren russischen Modellen eine Waffe, die kurz und leicht war, ein Dreißig-Schuss-Magazin hatte und bis zu hundert Kugeln pro Minute verschießen konnte. Hitler war so beeindruckt von der Waffe, deren Produktion er zuvor untersagt hatte, dass er sie Sturmgewehr nannte und sofort die Massenherstellung anordnete. Was am Ausgang des Krieges nichts mehr änderte, doch Schmeissers Sturmgewehr war die Vorlage für sämtliche weiteren Sturmgewehre, die in diesem Jahrhundert konstruiert wurden.
    Bei Kalaschnikows AK-47, dem weit verbreitetsten der neuen Sturmgewehre, wurden die Gase, die beim Abbrand der Treibladung entstanden, in eine Kammer oberhalb des Laufs geleitet, wo sie auf den Gaskolben traffen. Der Gaskolben drückte auf den Verschlusskopf, der wiederum den Hammer für die nächste Patrone spannte. Das Gewehr wog an die fünf Kilo, war mit einem gekrümmten Dreißig-Schuss-Magazin aus Metall ausgestattet, verschoss die 7,62-mm-Geschosse mit einer Geschwindigkeit von 700 Meter pro Sekunde und hatte eine effektive Reichweite von 300 bis 400 Meter. Bei der Umstellung auf Dauerfeuer verschoss es über hundert Geschosse pro Minute, und auf Einzelfeuer vierzig Geschosse pro Minute.
    Das Gewehr wies allerdings auch Schwächen auf, die mir von dem Mudjahedin detailliert geschildert wurden. Die niedrige Mündungsgeschwindigkeit der schweren 7,62-mm-Munition hatte eine schlingernde Geschossbahn zur Folge, die es nicht einfach machte, ein Ziel zu treffen, das über dreihundert Meter entfernt war. Das Mündungsfeuer war so stark – vor allem bei dem neueren Modell, dem AK-74 –, dass es den Schützen in der Dunkelheit oft blendete und außerdem die Stellung verriet. Der Lauf neigte zum Überhitzen und konnte dann nicht mehr angefasst werden. Manchmal erhitzte sich die Munition in der Kammer so stark, dass sie explodierte und den Schützen verletzte. Deshalb hielten viele Guerillakämpfer ihre Gewehre auf Abstand oder über den Kopf.
    Doch die Waffe funktionierte einwandfrei, auch wenn sie mit Wasser, Schlamm oder Schnee in Berührung kam, und blieb eine der effektivsten und verlässlichsten Tötungsmaschinen, die jemals entwickelt wurden. In den ersten vier Jahrzehnten nach seiner Konstruktion wurden fünfzig Millionen Kalaschnikows hergestellt – so viel wie von keiner anderen Schusswaffe zuvor –, und das AK in allen Varianten

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