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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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verhaften und umbringen lassen wollte. Über ihn hatte Khaled am Abend vor dem Ausbruch gesprochen: nicht über Abdullah, sondern über Ghani. Abdul Ghani …
    » Hast du eine Unterkunft? Eine sichere Unterkunft?«
    »Was? Ja.«
    »Gut«, sagte er und schüttelte mir herzlich die Hand. »Dann sehe ich dich hier, in drei Tagen, um eins. Inshallah.«
    » Inshallah «, erwiderte ich. Mahmud schritt aufrecht hinaus, ein stolzer mutiger Mann.
    Ich setzte mich wieder an den Tisch und mied die Blicke meiner Freunde, weil ich die Angst in meinen Augen verbergen wollte.
    »Was ist los?«, fragte Didier.
    »Nichts«, antwortete ich und schüttelte den Kopf, um ein Lächeln bemüht. Ich hob mein Glas und stieß mit den beiden an. »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Wir wollten grade auf Ranjits Hund trinken«, antwortete Vikram grinsend, »aber ich würde gern noch sein Pferd in den Trinkspruch einschließen, wenn es nicht zu spät ist.«
    »Du weißt doch gar nicht, ob er ein Pferd hat«, wandte Didier ein.
    »Wir wissen auch nicht, ob er einen Hund hat«, stellte Vikram klar, »aber das stört uns doch nicht, oder? Also: auf Ranjits Hund!«
    »Auf Ranjits Hund!«, sagten wir.
    »Und sein Pferd!«, fuhr Vikram fort. »Und das Pferd seines Nachbarn!«
    »Auf Ranjits Pferd!«
    »Und … auf alle Pferde!«
    »Und auf alle Liebenden, überall!«, verkündete Didier.
    »Auf alle Liebenden, überall!«, sagte ich.
    Doch aus irgendeinem Grund, unmerklich, war die Liebe in mir erloschen. Es wurde mir ganz plötzlich bewusst, und ich war mir absolut sicher. Meine Gefühle für Karla waren nicht vollständig verschwunden; das sind sie nie. Aber ich war nicht eifersüchtig auf den Fremden, Ranjit, so wie ich es früher gewesen wäre. Ich war nicht wütend auf ihn, und ich fühlte mich nicht verletzt. Stattdessen spürte ich Leere in mir, als habe der Verlust von Khaderbhai und Khaled und die Abrechnung mit Madame Zhou und den Zwillingen mein Herz betäubt.
    Und statt Schmerz empfand ich eine Art Verwunderung – anders lässt sich dieses Gefühl nicht beschreiben – über Abdul Ghanis Verrat. Und hinter diesem beinahe ehrfürchtigen Staunen spürte ich eine dumpfe, pochende, düstere Furcht. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt begann sich die blutige Zukunft, die er uns bereitet hatte, zu entfalten und in unser Leben zu sinken, wie eine Rosenblüte, deren Blätter in großer Dürre auf die harte trockene Erde fallen.

N EUNUNDDREISSIGSTES K APITEL
     

    E ine Stunde nachdem ich Abdul Ghani verlassen hatte, um Madame Zhou aufzusuchen, drangen Nasir und drei seiner Vertrauten durch die Haupttür in das Nachbarhaus von Ghanis Anwesen ein und verschafften sich durch den Werkstattkeller Zutritt zu Ghanis Villa. Ungefähr zur selben Zeit, als ich mich durch den Schutt im Palace voran tastete, schoben Nasir und seine Männer, die Gesichter unter schwarzen Strickmasken verborgen, die Falltür in Ghanis Küche auf. Sie überwältigten den Koch, den Hausmeister, Abduls zwei Diener und die beiden Dokumentenfälscher aus Sri Lanka, Villu und Krishna, und sperrten sie in einen kleinen Raum im Keller. Während ich zum Dachboden des Palace hinaufstieg, schlichen Nasir und seine Männer ins Studierzimmer und fanden Abdul weinend in seinem Lehnsessel vor. Und dann, etwa zu dem Zeitpunkt, als sich in mir die geballte Faust der Rachsucht löste und ich Mitleid für meine gebrochene Feindin empfinden konnte, nahm Nasir Rache für sich und Khader Khan, indem er den Verräter tötete, der uns alle in Pakistan verraten hatte.
    Zwei Männer hielten Abduls Arme fest, der dritte zog seinen Kopf zurück und zwang ihn dazu, die Augen zu öffnen. Nasir zog seine Maske vom Gesicht. Dann starrte er Abdul in die Augen und stach ihm einen Dolch ins Herz. Abdul musste gewusst haben, dass der Tod sich näherte. Er hatte alleine auf seine Mörder gewartet. Doch sein Schrei, sagten sie, sei aus der Hölle gekommen, die ihn verschlang.
    Sie rollten seine Leiche vom Sessel auf den polierten Boden. Dann, während ich auf der anderen Seite der Stadt in der Mansarde mit Rajan und seinem Zwillingsbruder kämpfte, hackten Nasir und seine Männer Abdul mit Beilen die Hände, Füße und den Kopf ab und verstreuten die Leichenteile im Haus, ebenso wie der Sapna-Killer es im Auftrag von Ghani mit den Gliedmaßen des ermordeten treuen alten Madjid getan hatte. Und als ich den zerstörten Palace von Madame Zhou verließ und mein Herz sich zum ersten Mal nach zu vielen Monaten frei und

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