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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Vorplatz des Gateway Monument zum Meer. Im Schatten des hohen Torbaus lehnte ich mich an die Küstenmauer und blickte auf die Boote, die Touristen zurück zum Hafen beförderten. Wie viele dieser Menschen, fragte ich mich, als ich zusah, wie die Touristen gegenseitig für ihre Kameras posierten, sind glücklich und unbeschwert und … einfach frei? Wie viele von ihnen tragen Trauer in sich? Wie viele …
    Und dann schloss sich die lange verdrängte Trauer um mich. Ich merkte, dass ich schon seit einiger Zeit die Zähne zusammenbiss und mein Kiefer sich steif und verkrampft anfühlte, doch ich konnte die Muskeln nicht lösen. Ich blickte zur Seite und sah einen Straßenjungen, den ich gut kannte, der gerade ein Geschäft mit einem Touristen abwickelte. Der Junge, Mukul, blickte so schnell wie eine Echse nach links und rechts und händigte dem Touristen ein kleines weißes Päckchen aus. Der Mann war um die zwanzig, groß, sportlich, attraktiv. Ich hielt ihn für einen deutschen Studenten, und meist trafen meine Einschätzungen zu. Er war noch nicht lange in der Stadt. Ich konnte die Zeichen lesen. Frisches Blut, haufenweise Geld in der Tasche und eine ganze Welt von neuen Erfahrungen vor sich. Sein Gang war beschwingt, als er zu seinen Freunden zurückkehrte. Doch er hatte sich gerade ein Päckchen Gift gekauft. Wenn es ihn nicht sofort umbrachte, in irgendeinem Hotelzimmer, würde es sich in sein Leben graben, wie es auch bei mir gewesen war, und allmählich jede einzelne Sekunde vergiften.
    Doch der Mann war mir in diesem Moment so gleichgültig wie jeder andere Mensch. Ich wollte es. Ich wollte die Droge sofort, in diesem Augenblick, mehr als alles andere auf der Welt. Meine Haut erinnerte sich an die seidige Wärme der Ekstase und das flechtenartige Grauen des Fiebers und der Angst. Die Erinnerung an den Geruch, den Geschmack, war so stark, dass ich zu würgen begann. Der Hunger nach Vergessen ohne Schmerz, ohne Schuld und Trauer wirbelte in mir, zitterte überall von meinem Rückgrat bis zu den dicken gesunden Venen an meinen Armen. Ich verlangte nach ihr: der goldenen Minute in der langen bleiernen Nacht des Heroin.
    Mukul sah mich und lächelte aus Gewohnheit, doch dann wurde das Lächeln unsicher und zerfiel. Er wusste Bescheid. Auch seine Einschätzung war gut. Er lebte auf der Straße, und er kannte die Anzeichen. Das Lächeln kehrte zurück, doch diesmal fiel es anders aus. Es war verführerisch – hier ist es, schau … ganz nah … gutes Zeug … komm und hol es dir –, und der kleine höhnische Triumph des Dealers lag darin. Du bist kein Stück besser als ich … was bist du schon … früher oder später wirst du darum betteln …
    Der Tag erstarb. Jeder glitzernde Strahl, dessen weißes Licht auf den Wellen der Bucht schillerte, wurde rosenfarben oder so rot wie helles Blut. Schweiß rann mir in die Augen, als ich Mukul anstarrte. Mein Kiefer schmerzte, und meine Lippen zitterten vor Anstrengung, als ich versuchte nicht zu reagieren, nicht zu sprechen, nicht zu nicken. Eine Stimme in meinem Inneren raunte: Du musst nur nicken, mehr brauchst du nicht zu tun, dann ist es vorbei … Und brennende Tränen stiegen in mir auf, so unermüdlich wie die Wellen, die an die Mauer brandeten. Doch ich konnte sie nicht weinen, diese Tränen, und ich spürte, dass ich in einem Schmerz ertrank, der größer war als das Herz, das ihn zu umfassen versuchte. Ich presste die Hände auf die Mauer, als könne ich mich in der Stadt festkrallen und mich so erretten.
    Doch Mukul … Mukuls Lächeln verhieß Frieden. Und ich kannte die vielen Wege, diesen Frieden zu finden – ich konnte ihn in einer Zigarette rauchen, auf einem Stück Silberfolie aufschnupfen, in einem Chillum rauchen, ihn in eine Vene spritzen oder einfach essen, schlucken und darauf warten, wie die schleichende Betäubtheit jeden Schmerz auf diesem Planeten erstickte. Und Mukul, der die schwitzende Agonie so deutlich entziffern konnte wie die schmutzige Seite eines schmutzigen Buches, rückte langsam näher, glitt an der feuchten Steinmauer entlang. Er wusste es. Er wusste alles.
    Eine Hand berührte meine Schulter. Mukul zuckte zusammen, als sei er getreten worden, und sein Blick wich rasch aus, in die Ferne des prachtvollen, lodernden Abendrots. Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht eines Geistes. Da stand Abdullah, mein Abdullah, mein Freund, der vor zu vielen schmerzhaften Monaten in einem Hinterhalt von der Polizei getötet worden war. Sein

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